Liebesgeschichte mit Eichhörnchen – The Portable Veblen

Die junge Veblen, Eichhörnchen-Freundin ohne große Ambitionen, lernt in diesem Roman Paul kennen und lieben. Der ist kurz davor, eine steile Medizin-Karriere hinzulegen. Veblen ist beinahe überfordert, als er um ihre Hand anhält – eigentlich wollte sie doch nur Hand in Hand am Strand spazieren gehen. Jetzt wird es plötzlich ernst. Doch zum Glück wohnt moralische Unterstützung auf ihrem Dachboden.

Veblen, benannt nach dem vom ihrer Mutter verehrten Wirtschafts- und Sozialwissenschaftler Thorstein Veblen, war schon immer irgendwie anders. Als Kind trug sie ihre Schreibmaschine überall mit sich herum, weil tippen die größte Freude in ihrem Leben war. Als Erwachsene hat sie ihre Leidenschaft zum Beruf gemacht und arbeitet mal hier und mal da als Sekretärin und Schreibkraft. Bei einem dieser Jobs lernt sie Paul kennen, einen jungen Arzt, der an einer bahnbrechenden Erfindung arbeitet, die bei der Versorgung von schwer verletzten Soldaten helfen soll.

Für Paul ist diese Erfindung der Ausweg aus einem chaotischen Leben, aus seiner Vergangenheit mit seinen Hippie-Eltern, deren merkwürdige Freunde immer das Haus seiner Kindheit bevölkerten. Er ist plötzlich interessant für die größten Medizin-Konzerne des Landes und kann verlangen, was immer er will. Dass nicht alles Gold ist, was glänzt, lernt er bald und schmerzhaft.

Auf der Spitze seines Erfolgs hält er um Veblens Hand an und sie sagt ja. Obwohl Zweifel sie plagen, nicht zuletzt, weil ein geschwätziges Eichhörnchen sie zu warnen scheint. Überhaupt Eichhörnchen – die Tatsache, dass Paul das Eichhörnchen auf ihrem Dachboden fangen will, statt Freundschaft mit ihm zu schließen, lässt sie daran zweifeln, ob sie nicht sowieso einfach zu unterschiedlich sind.

Elizabeth McKenzie erzählt eine Liebesgeschichte zwischen zwei nicht ganz gewöhnlichen aber nun auch nicht besonders bemerkenswerten Charakteren. Paul und Veblen haben beide ebenso ihre Schwächen und Spleens wie die Mitglieder ihrer jeweiligen Familien. Aber am Ende ist es dann doch alles ganz harmlos und fügt sich – natürlich – irgendwie zusammen. Kritische Untertöne kommen vor allem durch Pauls Tätigkeit in den Roman. Er hinterfragt die moralischen Implikationen der Pharma-Industrie immer mehr, nicht zuletzt aufgrund der fragwürdigen Testbedingungen, mit denen er sich konfrontiert sieht. Seine Erfindung zum Wohle der Menschheit ist für andere nur eine weitere Cashcow, muss er entsetzt feststellen.

„If a squirrel took note of her, as if to say she was a human worth knowing, as if to say (and you couldn’t help but take it this way when singled out by an animal) that she was a human worth marrying and loving, then let him have his say!“

S. 128

Veblen ist derweil jedes Profit-Streben gänzlich fremd. Sie ist zufrieden mit den Jobs, die sie macht, strebt keine große Karriere an und will nicht mehr, als das kleine und leicht baufällige Häuschen in dem sie lebt und das sie liebt, weil es noch so ist, wie Palo Alto war, bevor es die Wiege des Silicon Valley wurde. Sie liest, sie tippt, sie lernt Norwegisch, sie redet mit Eichhörnchen – viel mehr will sie nicht vom Leben. Und eigentlich weiß sie nicht mal genau, ob sie heiraten will.

Im Kern eine Liebesgeschichte, so lautet der deutsche Titel des Romans und das trifft es eigentlich ganz gut. Im Grunde ist der Roman eine nette Liebesgeschichte, nicht langweilig, aber auch ohne besondere Begebenheiten. Unterbrochen wird sie durch manchmal fast brutale Berichte von Testverfahren im medizinischen Umfeld.

Elizabeth McKenzie: The Portable Veblen.
4th Estate, 422 Seiten.
978-0-00-816039-5

Deutscher Titel: Im Kern eine Liebesgeschichte.

2016 war der Roman auf der Shortlist des Women’s Prize for Fiction. Dieser Beitrag ist Teil des gleichnamigen Leseprojekts.

2 Gedanken zu “Liebesgeschichte mit Eichhörnchen – The Portable Veblen”

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