Mit Maddaddam beendet Margaret Atwood ihre dystopische Trilogie, die sich mit den Folgen einer verheerenden Seuche befasst, die fast die gesamte Menschheit ausgerottet hat. Dieser Band konzentriert sich auf Toby, Zeb und einige andere ehemalige Gardener, denen es vor allem dank kluger Vorratshaltung und strikter Hygienregeln gelungen ist, einigermaßen unbeschadet durch die Seuche zu kommen. An den Rändern einer zerstörten Stadt haben sie nun Zuflucht gefunden in einem verlassenen Haus und versuchen, ihr Überleben auch weiterhin mit Gemüseanbau und Waffengewalt zu sichern.
Dabei haben sie Gesellschaft von einer Gruppe Craker, jenen perfekten Menschen, die Crake geschaffen hat, um die Welt nach der Seuche neu zu bevölkern. Sie sind zwar überirdisch schön, allerdings auch von begrenztem Verstand und grenzenlos naiv, was ihre Mitbewohner einiges an Nerven kostet. Erschwerend hinzu kommt, dass irgendwo in den Wäldern noch Reste der fiesen Killer-Brigade lauern, mit denen Toby und ihre Wegbegleiterinnen schon im Vorgängerband zu tun hatte. Der unerbittliche Überlebenskampf nach der „wasserlosen Flut“ geht also weiter.
„What to eat, where to shit, how to take shelter, who and what to kill: are these the basics? thinks Toby. Is this what we’ve come to, or come down to; or else come back to?“
Die Aufgabe dieses finalen Romans ist es natürlich, die Erzählstränge zu verknüpfen und noch einige Details und Verstrickungen darzulegen, die in den ersten beiden Bänden unklar geblieben sind. Lesenswert ist dieser Roman tatsächlich auch nur, wenn man diese Handlung bereits kennt, als alleinstehender Roman wird er wenig Freude machen. Aber auch, wenn man Maddaddam als Finale liest, ist er eindeutig der schwächste Teil der Reihe. Das liegt zum einen daran, dass man vieles, was passiert, schon kennt. Die neue Perspektive darauf ist nicht immer gewinnbringend. Zum anderen krankt der Roman deutlich am Zwischenmenschlichen. Toby, die auch schon in ihrer Zeit als Gardener ein Auge auf Zeb geworfen hatte, verliebt sich nun Hals über Kopf in ihn. Und er sich zum Glück auch in sie. Ein nicht kleiner Teil des Romans geht drauf für Pillow-Talk und Tobys eifersüchtige Spekulationen, mit wem im Haus Zeb möglicherweise noch ein Affäre haben könnte oder mal gehabt haben könnte. Auch auf verflossene Liebschaften – und davon gibt es einige – ist sie eifersüchtig. Diese Liebesgeschichte trägt nicht unbedingt zur Lockerung der ansonsten trostlosen Realität bei, sondern zögert vielmehr quälend die Eskalation heraus, die es braucht, um den Konflikt mit der feindseligen Umgebung endgültig zu klären. Zudem passt Tobys kleinliche Eifersüchtelei kaum zu der starken und sehr selbstständigen Persönlichkeit, die sie im Vorgängerband dargestellt hat.
Auch andere Figuren, die im zweiten Teil der Reihe große und starke Rollen gespielt haben, gehen nun ganz schön unter, was ausgesprochen schade ist. Dafür werden andere eingeführt, für deren Charakterisierung und Entwicklung gar kein Raum mehr bleibt. Was den Roman ein bisschen aus der Mittelmäßigkeit rettet, ist Margaret Atwoods Charme und Witz, der auch dieses Buch ein gutes Stück weit trägt. Und dann ist da ja immer noch die großartige Grundidee, die hinter der ganzen Maddaddam-Reihe steckt und das ausgefeilte Konstrukt, das Atwood darauf gebaut hat. Aber gerade das hätte ein besseres, stringenteres und klügeres Ende verdient, als dieses Finale es liefert.
tl;dr: Wer die ersten beiden Teile der Reihe nicht gelesen hat, wird an diesem Roman keine Freude haben und ihn wahrscheinlich sowieso nicht lesen. Wer die ersten beiden Teile gelesen hat, wird dieses Finale so oder so lesen wollen, aber der Roman ist nun wirklich nicht Atwoods stärkstes Werk und als Ende dieser Trilogie beinahe enttäuschend.
Margaret Atwood: Maddaddam. Virago 2014. 496 Seiten. Erstausgabe Bloomsbury 2013. Eine deutsche Übersetzung von Monika Schmalz ist unter dem Titel Die Geschichte von Zeb beim Berlin Verlag und bei Piper erschienen.
Das Zitat stammt von S. 120.
Als ich „The Testaments“ von Margaret Atwood gelesen hatte, dachte ich: sie wird alt und müde, sie mag nicht mehr. Der Schluss las sich, als hätte sie ihn eiligst hingeschrieben, um bloß schnell fertig zu werden.
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Ach Mann, wie schade. Ich habe es noch nicht gelesen, habe sowas aber befürchtet. Maddaddam ist ja jetzt schon ca. acht Jahre alt, aber auch da war sie schon ein paar Tage älter… Sie ist ja aber auch nicht die einzige Autorin, bei der es so geht, was ja aber auch total verständlich ist.
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Oh ja, die Reihe habe ich geliebt. Auch mit dem Finale 🙂
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Die Idee finde ich auch so großartig! Und vieles ist auch wirklich toll umgesetzt. Ich hätte es gerne von der ersten bis zur letzten Seite geliebt.
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