Nähmaschinen ziehen sich als roter Faden durch die phantastische Geschichtensammlung Das Alphabet der Puppen, der Debüt-Veröffentlichung der kanadischen Autorin Camilla Grudova. Sie erscheinen als weibliche Domäne, nahezu durchgehend sind es Frauen und Mädchen, die an den Maschinen sitzen, die Rücken dauerhaft gekrümmt vom genauen Hinsehen in schlechtem Licht, von der eintönigen Arbeit. Gleich in der ersten Geschichte entdeckt Greta, dass sie sich auftrennen kann und dass unter ihrer Haut eine Form erscheint, die „die ideale Grundform für eine Nähmaschine“ ist.
Ganz so abgedreht geht es nicht weiter, zumindest wird niemand mehr beinahe zu einer Nähmaschine. Aber der Sphäre des Phantastischen bleibt Grudova treu. Viele ihrer Erzählungen greifen Märchenmotive auf, die an die Grimms erinnern oder an Andersen. Aber auch ihre modernen Adaptionen klingen durch. Manchmal erinnert der Ton sehr an die Märchenfassungen Angela Carters. Das ist es dann aber schon an Ähnlichkeiten. Grudova findet einen sehr eigenen Ton und eine sehr eigene Welt, in der sie ihre Figuren agieren lässt. Es scheint nicht immer dieselbe zu sein, aber die Dystopie ist ihnen gemein. Man weiß nicht, ob ihre Geschichten kurz vor der Apokalypse spielen oder Jahre danach, oder einfach in einer Realität die immer schon grauenhaft war.
Weiterlesen„Ich war auf der Suche, es erschien mir unmöglich, dass diese Stadt der Fabriken, der Fachgeschäfte, diese Stadt, die alles in große Mengen herstellen konnte, nur einen wie mich produzierte.“