Zadie Smith: The Autograph Man

Alex-Li Tandem, halb chinesischer, halb jüdischer Herkunft, wächst in einem Vorort in der Einflugschneise von Heathrow auf und entdeckt früh seine Liebe zu Autogrammen. Die Liebe ist so groß, dass er als Erwachsener vom Handel mit Autogrammen leben kann und ein ausgewiesener Experte ist, wenn es um die Authentizität der teuren Unterschriften geht. In seinem Privatleben geht es nicht sehr aufregend zu. Er ist immer in der gleichen Nachbarschaft wohnen geblieben und hat immer noch die Freunde aus Kindertagen. Auch in seiner Beziehung, ebenfalls noch aus der Schulzeit, läuft es eher so mittelprächtig. Alex ist gelegentlichem Drogenkonsum nicht abgeneigt, übertreibt es in einer Nacht aber völlig. Als er zwei Tage später wieder völlig zu sich kommt, ist sein Auto Schrott, seine Freundin spricht kein Wort mehr mit ihm und in seiner Wohnung liegt ein Autogramm von Kitty Alexander. Kitty Alexander! Der von ihm angebeteten Schauspielerin schreibt er seit seiner Jugend jede Woche einen Brief und bittet um ein Autogramm, bisher aber ohne Erfolg. In Alex-Li keimt ein furchtbarer Verdacht: hat er in seiner Verzweiflung im Drogenrausch das Autogramm gefälscht? Er kennt Kittys Unterschrift so gut, dass er es könnte. Aber wen soll er fragen, ohne sich wahnsinnig zu blamieren? Zum Glück hat er – ebenfalls im Drogenrausch – einen Flug zu einer Autogramm-Messe in New York gebucht, wo Mrs. Alexander wohnt.

„This is the description of a struggle. Judge it accordingly.“

Die Szene der Autogrammjäger und -händler wird als enervierend schrulliger Haufen beschrieben. Natürlich hat Alex-Li Freunde in dieser Szene, oft genug geht es aber schlicht darum, den anderen minderwertigen Quatsch zu möglichst hohen Preisen zu verkaufen. Die Jagd nach Dingen, die mit irgendeinem Promi im Zusammenhang stehen, dominiert das Leben der Männer, die es oft genug nicht schaffen, darüberhinaus ein ernsthaftes Sozialleben aufzubauen. Und das ist auch ein großes Thema des Romans: die Kritik, dass diese Männer großen Namen und Persönlichkeiten hinterherreisen, absolut alles über ihr Schaffen und ihr Privatleben wissen, sich selbst dabei aber überhaupt nicht entwickeln und selbst nicht interessantes an sich haben. Auch der Protagonist bildet da keine Ausnahme. Er lebt in einer sehr durchschnittlichen Wohnung in einem günstigen Vorort, leiht sich ständig die gleichen Filme aus, schreibt treu an Kitty Alexander und sitzt bekifft bei seinem Freund auf dem Sofa, wo er sich krude Theorien zur Kabbala anhört. Dazwischen versucht er mit mäßigem Ehrgeiz, ein Buch darüber zu schreiben, welche Dinge jüdisch und welche goi sind.

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Nachdem ich Zadie Smiths ersten Roman White Teeth sehr gerne und mit großer Begeisterung gelesen habe, hatte ich mit diesem Roman deutlich mehr zu kämpfen. Der Grundton hier ist ruhiger und ernsthafter und es werden weit weniger Themen verhandelt. Allerdings spielt die Frage nach der eigenen Identität wieder eine große Rolle. Wie oben bereits ausgeführt, ist Alex-Lis Leben arm an Höhepunkten und Spannung, entsprechendes darf man dann auch von einem Roman darüber erwarten. Zwar gelingt Smith eine treffende und sympathische Charakterisierung ihrer Figuren und auch ihr Stil ist souverän, mir ist aber über weite Teile des Romans nicht ganz klar geworden, warum sie mir diese Geschichte erzählt. Mit dem Flug nach New York kommt zwar ein bisschen mehr Action rein und auch der eine oder andere interessante Nebenfigur wird eingeführt, dauerhaft spannend aber wird es davon nicht.

Smith will, glaube ich zumindest, vermitteln, dass man nicht berühmten Leuten zu Füßen liegen soll, einfach weil sie berühmt sind. Sie will außerdem die Geschichte einer Lebenskrise erzählen. Beides gelingt ihr glaubhaft und der Roman hat durchaus seine Höhen, vor allem weil Smith auch oft sehr humorvoll schreibt. Ich muss allerdings zugeben, dass ich nicht alle Running Jokes des Romans witzig fand. The Autograph Man ist absolut kein schlechter Roman, aber eben auch keiner, der mich begeistern konnte.


Zadie Smith: The Autograph Man. Penguin 2003. 432 Seiten. Auf deutsch ist das Buch unter dem Titel Der Autogrammhändler bei KiWi erschienen (übersetzt durch Klaus Timmermann).

Das Zitat stammt von S. 181.

2003 war Zadie Smith mit diesem Roman auf der Shortliste des Orange Prize for Fiction. Dieser Beitrag ist Teil des Leseprojekts Women’s Prize for Fiction.

 

 

11 Gedanken zu “Zadie Smith: The Autograph Man

  1. soerenheim 8. Januar 2019 / 14:40

    Das ist ihr einziger Roman, den ich noch nicht gelesen hab & auch der, bei dem ich am wenigsten Lust verspüre…
    Ich hatte auch irgendwie im Kopf, dass Smith nicht mehr ganz dahinter steht, aber ich finde grad nix dazu, also könnte ich es mir auch eingebildet haben,

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  2. elizzy91 8. Januar 2019 / 18:03

    Hallo! Eine wunderbare Rezension zu einem spannenden Buch, ich habe bis jetzt noch nichts von der Autorin gelesen aber würde nach wohl besser nicht mit diesem Buch hier beginnen 🙂

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    • Marion 8. Januar 2019 / 18:06

      Nein, tatsächlich nicht. Ich habe sonst bisher nur „White Teeth“ von ihr gelesen, was auch ihr erstes war. Das hat mir gut gefallen.

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  3. letteratura 8. Januar 2019 / 20:40

    Oh, vor dem Buch habe ich schon so oft gestanden und überlegt, es zu kaufen bzw. zu leihen und zu lesen, aber ich war immer unsicher. Ich mochte vor allem Zähne zeigen (Ich glaub so ist der deutsche Titel?) und Von der Schönheit, soweit ich mich erinnere. Dieses scheint ja kein Muss zu sein… naja vielleicht irgendwann mal. Viele Grüße!

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    • Marion 8. Januar 2019 / 20:45

      Na wenn du sonst mal nichts zu Lesen hast…. Es tut nicht weh, man verpasst aber auch nichts, wenn man in der Zeit was anderes liest. Die Kritiken waren auch allgemein eher durchwachsen.

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      • letteratura 8. Januar 2019 / 20:46

        Hm ok, dann warten wir mal auf was Neues von ihr 🙂

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