Als Bee geboren wird, hängt ihr Leben am seidenen Faden. Sie ist so blau, dass ihre Mutter Bernadette beschließt, sie Bandakrishna zu nennen. Fünfzehn Jahre später findet sie die Idee so blöd, dass sie Wert darauf legt, dass ihre Tochter überall unter „Bee“ läuft, so auch bei der bevorstehenden Antarktis-Kreuzfahrt. Die ist ein besonderer Wunsch von Bee, der ihr anlässlich eines Schulabschlusses mit lauter Einsen im Zeugnis gewährt werden soll.
Für Bernadette ist diese Kreuzfahrt der reinste Horror. Erstens wird sie leicht seekrank, zweitens hasst sie Menschen. Nicht nur auf Kreuzfahrtschiffen, sondern auch in Seattle, der Heimat der Familie. In Bees Schule wird Wert darauf gelegt, dass auch die Eltern sich in den Alltag einbringen. Bernadette hat darauf so wenig Lust, dass sie sich schnell mit der gesamten Liga der vorbildhaften Mütter anlegt, die total gerne Schulausflüge begleiten. Die nun bevorstehende Kreuzfahrt klingt für sie so fürchterlich, dass sie laut überlegt, einfach zu verschwinden. Und tatsächlich – kurz bevor es losgehen soll, geht Bernadette nur kurz aufs Klo und wird danach nicht mehr gesehen. Where’d You Go, Bernadette ist der Versuch ihrer Tochter, die Spur aufzunehmen und mit Hilfe von Mails, Zeitungsausschnitten und anderen Schriftstücken herauszufinden, wo ihre Mutter jetzt sein könnte.
„People like you must create. If you don’t create, Bernadette, you will become a menace to society.“
Vor ihrer Zeit in Seattle war Bernadette eine bemerkenswerte Architektin mit revolutionären Ideen. Nun gelingt es ihr nicht einmal mehr, das heruntergekommene Haus der Familie auf Vordermann zu bringen. Langsam und Stück für Stück findet man in diesem Roman heraus, wie aus einer gefeierten Star-Architektin eine angespannte, verkrachte Frau werden konnte, die unglücklich in Seattle festsitzt, sich Kleinkriege mit ihren Nachbarinnen liefert und plötzlich verschwindet. Das ist einigermaßen ausgefallen komponiert, allerdings ist die Geschichte an sich nicht so furchtbar ausgefallen. Müsste man sich nicht alles aus einzelnen Dokumenten zusammenkramen, würden nicht etliche Episoden aus unterschiedlichen Episoden mehrfach erzählt, wäre die Geschichte von Bernadette Fox eine recht dünne. Und so richtig erschließen sich ihre Beweggründe aus nach mehrfacher Betrachtung aus unterschiedlichen Perspektiven nicht.
Where’d You Go, Bernadette ist ein ganz unterhaltsamer Roman über eine Frau, die einfach mal raus muss, die ihr Leben einmal auf den Kopf stellen muss, um es neu zu sortieren. Es ist leicht lesbar und stellenweise ganz witzig, mehr aber auch nicht. Großen Anspruch oder gewagte Stil-Experimente darf man nicht erwarten, dafür aber einen ganz charmanten und immerhin kurzweiligen Roman.
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Wer mehr über ausbrechende Frauen lesen möchte, kann sich auch mal Anne Tylers Ladder of Years ansehen, das mich allerdings nicht überzeugen konnte.
Maria Semple: Where’d You Go, Bernadette. Orion 2012. 332 Seiten. Erstausgabe Little, Brown and Company 2012. Eine deutsche Übersetzung von Cornelia Holfelder-von der Tann ist unter dem Titel Wo steckst du, Bernadette bei btb lieferbar.
Das Zitat stammt von S. 133.
Der Roman war 2013 auf der Shortlist für den Women’s Prize for Fiction. Dieser Beitrag ist Teil des wpf-Leseprojekts.