Reso Tscheischwili: Die himmelblauen Berge

Der Ehrengast der Frankfurter Buchmesse ist oft eine gute Gelegenheit, Literatur aus Ländern zu entdecken, von denen man exakt nichts weiß. In diesem Jahr ist es Georgien, ein Land, bei dem mir als einzige Autorin Nino Haratischwili einfällt. Dank Förderprogrammen ändert sich das ja in den Gastland-Jahren immer und so kommt mit Die himmelblauen Berge jetzt auch ein georgischer Klassiker auf den Markt, der in seiner Heimat aufgrund einer sehr populären Verfilmung den meisten ein Begriff ist.

Die Himmelblauen Berge

In diesem Roman versucht ein Autor, sein Manuskript bei einem Verlag unterzubringen. Das erweist sich als sehr komplizierte Angelegenheit, denn auch, wenn der Verlag dem Autor positiv gesonnen ist, gilt es doch, in dem staatseigenen Betrieb alle Regeln zu befolgen. Um über das Erscheinen des Romans zu entscheiden, muss eine Versammlung einberufen werden, bei der über die Qualität beraten werden soll, dazu aber müssen erst alle das Manuskript gelesen haben. Im Verlag verteilt existiert der Text in mindestens drei Fassungen, wenigstens eine davon noch unter dem alten Titel Die himmelblauen Brücken, zum Teil handschriftlich und kaum leserlich, zum Teil maschinengeschrieben. Da es weniger Manuskripte als Mitarbeiter gibt, wird der Text aufgeteilt, einige kennen nur den Anfang, andere nur die letzten zehn Seiten, Bruchstücke finden sich in Schubladen, in der Kantine und auf einem Müllhaufen im Hof. Die zuständigen Mitarbeiter sind in Urlaub, beim Militär, auf einer siebenmonatigen Dienstreise, auf einer Fortbildung unbekannter Dauer oder stecken im Aufzug fest. Statt sich mit dem Manuskript zu befassen, treibt sie die Frage um, ob es in diesem Jahr wohl Prämien gebe.

„beim Zerfall verblassen die Farben. Dieser Prozess von Aufbau und Zerfall muss berücksichtigt werden, nicht nur hier, sondern allgemein im Leben.“

Zu allem Überfluss droht auch das Verlagsgebäude zusammenzustürzen. Große Risse zeigen sich in Wänden und Decken, Putz bröckelt von der Decke auf die Schreibtische der Arbeitenden. Dieses Bild des wackligen Hauses darf als Bild der Sowjetunion verstanden werden, deren Teil Georgien zum Zeitpunkt des Erscheinens war. Auch der komplette Ablauf im Verlag ist eine Parodie auf den kompliziert und ineffizient arbeitenden Literaturbetrieb im Land.

Der Roman liest sich eher, als sei es ein Theaterstück oder Drehbuch. Die Charakterisierungen von Personen und Räumen sind knapp und stichpunktartig, erzählt wird im Präsens. Die Handlung spielt sich beinahe ausschließlich in den Räumen des Verlags ab, mitunter auch auf einem Sportplatz direkt davor. Der Roman baut auf Dialoge, wohldosiertes Chaos und einen gewissen Irrsinn. An einigen Stellen lesen Die himmelblauen Berge sich, als sei es ein Dürrenmatt-Stück.

Mit der Übersetzung ist dieser sehr unterhaltsame, kurze Roman (so kurz, dass er auch schon mit dem Untertitel „eine Erzählung“ veröffentlicht wurde) jetzt auch dem deutschen Publikum zugänglich. Die Verfilmung ist es allerdings schon länger. Diese wurde unter dem Titel „Das Blaue vom Himmel“ bzw. „Blaue Berge“ ausgestrahlt. In Georgien ist, so verrät das Nachwort, der Titel so populär, dass „blaue Berge“ dort eine feststehende Redewendung für eine besonders verfahrene und absurde Situation ist. Ein kurzweiliger Einblick in einen absurden Literaturbetrieb, der auch heute noch manchen AutorInnen bekannt vorkommen könnte.


Reso Tscheischwili: Die himmelblauen Berge. Übersetzt von Julia Dengg und Ekaterine Teti. Edition Monhardt 2017. 157 Seiten, € 22,-. Die Übersetzung basiert auf der Ausgabe ცისფერი მთები (tsisperi mtebi). Bakur Sulakauri 2014. Die Originalausgabe erschien 1980.

Das Zitat stammt von S. 119

Ich danke dem Verlag für das Leseexemplar.

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