Rachel Kushner: Telex aus Kuba

Mit Flammenwerfer, einem Roman über die New Yorker Kunstszene der 1970er und die Roten Brigaden in Italien, konnte Rachel Kushner 2015 auch in Deutschland einigen Erfolg verzeichnen. Wenige Monate nach dem Tod des Máximo Líder ist nun auch ihr Debütroman Telex aus Kuba in deutscher Übersetzung erschienen.

Der Roman spielt in den 1950ern auf Kuba und setzt ein, als für die amerikanische Gesellschaft auf der Insel noch alles in bester Ordnung ist. Erzählt wird die Geschichte vor allem von K.C. Stites und Everly Sanders, zwei Kindern, deren Väter auf Kuba für US-amerikanische Großkonzerne arbeiten. Sie führen ein sorgenfreies Leben, denn ihre Väter werden gut bezahlt, sie leben in großen Häusern mit zahlreichen Angestellten und machen Ausflüge mit der firmeneigenen Yacht.

„In Kuba hatten wir Amerikaner unsere Traditionen, unsere eigene Welt.“

Doch es ziehen dunkle Wolken auf am karibischen Himmel. In den Bergen rotten sich Revolutionäre um die Castro-Brüder zusammen, die nicht länger tatenlos zusehen wollen, wie die Amerikaner die Insel und ihre Bevölkerung ausbeuten. K.C.s Bruder Del hat sich den bärtigen Rebellen angeschlossen und lebt in den Wäldern. Die Arbeiter auf den Zuckerrohrplantagen werden immer mutiger, fordern immer mehr und schließlich steckt jemand die Felder in Brand. Für die Amerikaner ist es schwer zu verstehen, warum auf einmal die Welt in Flammen steht, die sie kennen, in der einige von ihnen geboren sind und die sie als ihre rechtmäßige Heimat betrachten.

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Kushner versucht sich an einem Porträt der kubanisch-amerikanischen Gesellschaft mit all ihren Konflikten und inneren Widersprüchen. Leider geraten die Charakterisierungen dabei fast durch die Bahn flach. Sie versucht, eine möglichst große Bandbreite von Charakteren und Meinungen unterzubringen, was auf Kosten der einzelnen Figuren geschieht. Eine differenzierte, nuancierte Darstellung sucht man leider vergebens. Die Männer scheinen alle machtbesessene Schürzenjäger zu sein, die Frauen alle oberflächlich und zum Teil alkoholabhängig, auf jeden Fall aber unglücklich und unzufrieden. Zudem wechselt Kushner zwischen den einzelnen Charakteren kaum die Erzählstimmen. Die zehnjährige Everly klingt genau wie die Kabaret-Tänzerin Rachel K. und auch wie der ehemalige SS-Offizier und jetzige Revolutions-Berater La Mazière. Grundsätzlich könnte das auch an der Übersetzung liegen, es kommt mir aber eher so vor, als sei das auch im Original so angelegt. Das macht es schwer, einen Aufhänger in der Geschichte zu finden, der einen bei der Stange hält.

Denn so interessant die historischen Fakten sind, gelingt es Kushner doch nicht, daraus einen ebenso interessanten Roman zu stricken. Die verschiedenen Erzähler bringen nicht etwa unterschiedliche Perspektiven in den Roman sondern eher Chaos, eben auch dadurch bedingt, dass sie alle mit der gleichen Stimme erzählen. K.C. Stites berichtet aus einer sehr viel späteren Perspektive als erwachsener Mann, der Kuba schon lange verlassen hat, aber auch diese spätere Reflektion bringt keine Klarheit oder weitere Einsichten in die Situation. Einige Szenen und Personen scheinen auch schlicht überflüssig zu sein, so als hätte die Autorin sie eben gerne im Roman gehabt, weil sie selbst sie interessant und wichtig findet. Dass ich Kushner den nostalgisch-wehmütigen Ton von aus dem Paradies vertriebenen Kolonisierern ankreide, ist meiner persönlichen Meinung geschuldet. Doch auch objektiv betrachtet finde ich auf Seiten der portraitierten AmerikanerInnen wenig Verständnis für die politische Situation Kubas oder überhaupt irgendeiner politschen Situation. Viele der Figuren haben fragwürdige Karrieren in ihren Heimatländern hingelegt und werden als ein wenig zwielichtig dargestellt. Allerdings scheinen nicht wenige von ihnen auch nichts besonders helle zu sein. Ob das Absicht war, weiß ich nicht.

Eigentlich war ich mir sicher, dass ich Telex aus Kuba mögen würde, weil mich das Thema sehr interessiert und weil ich Flammenwerfer wirklich gerne gelesen habe. Allerdings ist Flammenwerfer auch nur aus der einen Persepektive einer jungen Frau erzählt und das scheint eben die Perspektive zu sein, die Kushner beherrscht. Die Chance, die Geschichte der Kubanischen Revolution aus einer anderen und wenig verbrauchten Perspektive zu erzählen, wurde meiner Meinung nach in diesem Roman völlig vertan.


Rachel Kushner: Telex aus Kuba. Übersetzt von Bettina Abarbanell. Rowohlt 2017. 464 Seiten, € 19,95. Originalausgabe: Telex from Cuba. Scribner 2008.

Das Zitat stammt von S. 50

8 Gedanken zu “Rachel Kushner: Telex aus Kuba”

  1. Flammenwerfer fand ich ebenfalls nicht so gelungen. Dieselben Probleme die du hier ansprichst, nur das mir die junge Frau nach einiger Zeit auf die Nerven ging mit ihrer indifferenten Art zu leben.

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    1. Stimmt, das hatte ich doch noch im Hinterkopf, dass du da nicht so der Fan warst…
      Und ja, die Dame ist tatsächlich sehr indifferent. Die Genervtheit kann ich gut verstehen.

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    2. Ging mir ja ähnlich, ich glaube, thurs, wir sprachen auch darüber. Daher hat mich dieses Buch dann auch nicht mehr gereizt. Vielleicht hätte eine überschwängliche Rezension hier ja meine Meinung noch geändert ;), so werde ich mich dann wohl anderer Lektüre widmen 🙂

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