Kein Blog, der sich mit Essen in der Literatur befasst, kommt dauerhaft um Boeuf en Daube nach einem Rezept von Mrs Ramsays Großmutter herum, wie es in To the Lighthouse serviert wird. Das liegt mit Sicherheit zum einen an der hervorragenden Qualität des Essens liegt („The Boeuf en Daube was a perfect triumph.“), aber auch an der Bedeutung, die das Abendessen an sich in der Geschichte einnimmt. Es ist eine der Schlüsselszenen des ersten Teils des Romans. Fäden laufen zusammen, Beziehungen werden plötzlich klar und noch einmal wird thematisiert, dass der ersehnte Ausflug zum Leuchtturm nicht wird stattfinden können. Vor allem für die zentrale Mrs Ramsay ist es die wichtigste Szene überhaupt.
Die Köchin der Ramsays hat nicht weniger als drei Tage auf das Gericht verwendet, das sie nun nicht ohne Stolz präsentiert:
„…and an exquisite scent of olives and oil and juice rose from the great brown dish as Marthe, with a little flourish, took the cover off. The cook had spent three days over that dish. And she must take great care, Mrs Ramsay thought, diving into the soft mass, to choose a specially tender piece for William Bankes. And she peered into the dish, with its shiny walls and its confusion of savoury brown and yellow meats, and its bay leaves and wine, and thought, This will celebrate the occasion – a curious sense rinsing in her, at once freakish and tender….“
Am Tisch ist man begeistert: „It was rich. It was tender. It was perfectly cooked.“ Und zugleich ist man sich einig, dass so gut nur ein französisches Gericht sein kann, denn „What passes for cookery in England is an abomination (they agreed.) It is putting cabbages in water.“
Mit dem Lob für das gelungene Abendessen, mit den geistreichen Bemerkungen über englische und französische Küche blüht Mrs Ramsay förmlich auf, ihre alte Schönheit strahlt wieder und sie ist gelöst wie lange nicht mehr, beinahe exaltiert, wie eine ihrer Töchter kritisch feststellt.
Die ganze Szenerie um das Boeuf en Daube herum wird so lebhaft geschildert und sein Geruch und Aussehen werden in so höhen Tönen gelobt, dass man auf Dauer einfach gar nicht drum herum kommt, es auch mal zu probieren. Man braucht übrigens nicht unbedingt drei Tage dafür. Die meiste Zeit braucht das Gericht, um herumzustehen und Aromen zu entfalten. Diese Zeit kann man grundsätzlich auch reduzieren, man sollte das aber wirklich nur im Notfall tun. Das Boeuf en Daube lebt eben auch davon, dass es die Zeit für seine Aromen hat. Und so geht’s:

Boeuf en Daube
für 4 Personen
- 700 g Rindergulasch
- 500 ml Rotwein
- 1 TL Salz
- Pfeffer
- 1 TL gehackter Thymian
- 2 Lorbeerblätter
- 3 Knoblauchzehen
- 2 Zwiebeln
- 1 große Karotte
- 150 g ungeräucherter Speck
- 100 g Champignons
- 1 Dose gehackte Tomaten
- 60 g Mehl
- Rinderbrühe
- 1 kleines Glas Sardellenfilets
- 2 EL Olivenöl
- 1 EL gehackte Kapern
- 2 EL Rotweinessig
- 120 g schwarze Oliven ohne Kern
- Petersilie
Tag 1:
Die Fleischwürfel in eine Schüssel geben. Zwei Knoblauchzehen schälen und andrücken. Die Zwiebeln schälen und in feine Ringe schneiden. Die Karotten ebenfalls schälen und in dünne Scheiben schneiden. Alle diese Zutaten gemeinsam mit den Lorbeerblättern zum Fleisch geben, ebenso das Salz, etwas Pfeffer und den Rotwein. Mit den Händen durchkneten. Abgedeckt kaltstellen und mindestens 6 Stunden oder über Nacht marinieren lassen.
Tag 2:
Den Ofen auf 150°C vorheizen.
Die Pilze putzen und in dünne Streifen schneiden. Den Speck in einer Pfanne anbraten, aber nicht knusprig werden lassen. In 1 cm breite Streifen schneiden. Das Mehl auf einen Teller geben. Das Fleisch aus der Marinade nehmen, kurz abtropfen lassen und dann im Mehl wälzen. Überschüssiges Mehl abschütteln.
Die Marinade mit dem Gemüse darin abgießen. Dabei sowohl Gemüse als auch Marinade zurückbehalten. Die Lorbeerblätter entfernen.
Ein Drittel des Specks in einen Schmortopf geben. Die Hälfte der Pilze und die Hälfte der gehackten Tomate darauf geben. Anschließend ein Drittel des Fleischs. Darauf ein Drittel des Gemüses aus der Marinade geben. Die nächsten Schichten genau so wiederholen: Speck, Pilze, Tomaten, Fleisch, Gemüse. Als oberste Schichten folgen nun das letzte Drittel Fleisch, Gemüse und Speck. Der Topf wird mit der Marinade aufgegossen. Alle Schichten sollten bedeckt sein. Ist das nicht er Fall, noch etwas Wein oder Rinderbrühe angießen.
Das Boeuf en Daube abgedeckt für 90 Minuten im Ofen garen lassen. Nach dieser Zeit nachsehen, wie flüssig das Gericht noch ist. Wenn noch zu viel Flüssigkeit vorhanden ist, den Deckel entfernen und Topf für weitere 30 Minuten im Ofen lassen. Ansonsten mit Deckel ebenfalls weitere 30 Minuten garen.
In dieser Zeit die verbliebene Knoblauchzehe schälen und fein hacken. Die Sardellenfilets und Kapern ebenfalls fein hacken. Mit Olivenöl und Rotweinessig vermischen. Die Oliven nach Belieben ganz lassen oder halbieren.
Nach Ablauf der zweistündigen Garzeit (das war nur die erste Hälfte!) den Topf aus dem Ofen nehmen. Essig-Öl-Mischung und Oliven unterrühren. Und dann wieder alles in den Ofen stellen und bei 150°C weitere 2 Stunden garen.
Anschließend das Boeuf en Daube aus dem Ofen nehmen, abkühlen lassen und an einem kühlen Ort (ggf. Kühlschrank) mindestens 24 Stunden ziehen lassen.
Tag 3:
Am dritten und letzten Tag kann das Boeuf en Daube endlich gegessen werden! Dazu wird es für finale 60 Minuten bei 150°C im Ofen erwärmt. Evtl. mit Salz und Pfeffer abschmecken, mit gehackter Petersilie bestreuen und servieren. Dazu passt ein Stück Baguette ganz fantastisch.
Und die Warterei lohnt sich! Das Boeuf en Daube ist wirklich sehr, sehr aromatisch und das Fleisch wunderbar zart und mit Oliven und Sardellen bringt es einen Schwung Mittelmeer mit. In meinem Sommerhaus würde ich es trotzdem nicht unbedingt servieren. Aber wer weiß – wer wie die Ramsays auf den Hebriden residiert, nimmt vielleicht Sommer und Sonne wo er sie kriegen kann. Eine Nachahmung ist, bei welchem Wetter auch immer, dringend empfohlen.
Zitate aus: Virginia Woolf: To the Lighthouse. Penguin English Library 2018. Alle Zitate stammen aus dem ersten Teil des Romans „The Window“. In meiner Ausgabe tauchen sie in dieser Reihenfolge auf: S. 99, S. 94, die letzten beiden S. 95.
Das Rezept lehnt sich an an das, was Kate Young in ihrer Reihe „The Little Library Café“ veröffentlicht hat.
Mehr Essen aus Büchern gib es auf schiefgegessen.
„To the lighthouse“ ist eines meiner krassesten Literaturerfahrungen überhaupt. Dieser Sprung vom ersten zum zweiten Teil, diese Leere, die eine Person hinterlassen kann. Es war eine atemlose Lektüre. Ich denke, es ist eines der Bücher, die für mich all das repräsentieren, was Literatur und Literatur zu leisten vermag. Dieses mit einem Gericht zu preisen, ist eine tolle Idee 🙂
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Es ist ein wirklich sehr beeindruckender Roman. Ich finde auch gerade dieses Abendessen, bei dem es dieses Essen gibt, unglaublich gelungen. Es ist immer schön, wenn bei Essen auch Büchern nicht nur das Essen lecker ist, sondern auch das Drumherum stimmt, und das ist hier absolut gegeben!
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Ich nehme deinen Post als Inspiration, ein neues Gericht zu lernen – mal sehen, ob’s klappt!
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Bestimmt! Es dauert, aber ist nicht viel komplexer als Gulasch. Gutes Gelingen!
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