Mit ihrer umfassenden Geschichte der tausend Jahre Roms beginnt Mary Beard im 8. Jahrhundert v. Chr. mit der sagenumwobenen Gründung der Stadt durch die Brüder Romulus und Remus. Sie endet im Jahre 212 mit einem Erlass Kaiser Caracallas, der allen Einwohner*innen des bis dahin beachtlich gewachsenen Imperiums Bürgerrechte verlieh.
Beard berichtet von Kaisern, ihren Familien, öffentlichen und persönlichen Dramen, Kriegen und Triumphzügen, aber auch vom Alltagsleben in der römischen Hauptstadt und in den fernen Provinzen. Letzteres ist ein ungleich schwereres Unterfangen, da über das Leben der einfachen Bürger*innen kaum berichtet wurde. Dennoch lassen sich etliche Rückschlüsse darauf ziehen, besonders durch archäologische Funde fernab der marmornen Pracht der Regierungs- und Repräsentationsbauten der Herrschenden. Beard bezieht dabei viele Quellen mit ein und weist auch oft daraufhin, dass viele Funde und Legenden unterschiedlich gedeutet werden können und es auf viele Fragen noch lange keine eindeutige Antwort gibt. Das liegt auch mit daran, dass die meisten Geschichtsschreiber der Epoche durchaus ihre eigenen Interessen hatten, als sie ihre Berichte verfassten und vieles entsprechend eingefärbt ist.

Beard, selbst Historikerin, ist sehr genau in ihren Ausführungen und hütet sich davor, in Spekulationen abzugleiten. Die langen Reihen von Kaisern, die das Reich regierten, fand ich gelegentlich etwas mühsam zu lesen. Wer auf wen folgte und welche Machtkämpfe zu welchem Wechsel führten, konnte mich nicht so richtig fesseln. Der historischen Vollständigkeit halber müssen diese Grundlagen der imperialen Chronologie aber nun einmal da sein, das sehe ich ja völlig ein. Interessanter und lebendiger zu lesen sind da schon die Leben von Freien und Sklav*innen, die den äußerst heterogenen Grundstock des Reichs bildeten. Die Autorin erläutert, wie das römische Imperium so groß und mächtig werden konnte, welchen Preis die lokalen Bevölkerungen dafür zahlten und was die Fremdherrschaft für die Menschen in den entlegenen Provinzen bedeutete. Das römische Reich, so eine ihrer tragenden Thesen, konnte vor allem deshalb so erfolgreich sein, weil es den Besiegten die eigene Kultur nicht aufzwang und fremde Götter recht problemlos aufnahm. Dennoch galten die Sitten und Bräuche der römischen Oberschicht vielerorts als so schick, dass die lokale Bevölkerung schon von selbst anfing, den neuen Gepflogenheiten nachzueifern. Das alles sollte aber nicht von der Tatsache ablenken, dass die Römer wild entschlossen waren, ihre Ansprüche durchzusetzen und das selbstverständlich auch mit Gewalt, wo immer es nötig schien.
„Den Römern ging es darum, ob sie Schlachten gewinnen und anschließend – durch Überzeugung, Einschüchterung oder Gewalt – ihren Willen durchsetzen konnten, wann und wo sie wollten.“
So richtig spannend wird es also da, wo Beard sich wegbewegt von dem, was man aus Geschichts- und Lateinunterricht, Museumsbesuch und Populärkunst schon mehr oder weniger kennt – wobei sie auch bei vermeintlich Altbekanntem ein paar Fakten richtig rückt und in ein anderes Licht stellt. Für echte Kenner*innen der römischen Geschichte dürfte das Buch dennoch nicht viel Neues zu bieten haben, diesen Anspruch will es aber auch gar nicht erfüllen. SPQR ist ein populärwissenschaftliches Buch, dass sich an die Masse richtet, dabei aber weniger auf Unterhaltung als auf solide Fakten baut. Die ein oder andere nette Anekdote aus dem Leben verschrobener Kaiser gibt es natürlich auch. Was wäre ein Buch über Rom ohne Nero und die dunklen Legenden, die ihn umranken? Aber auch weniger Bekannte Kaiser hatten so ihre Eigenheiten, so beispielsweise Commodus, der als Gladiator auftrat und verfeindeten Senatoren mit einem abgeschlagenen Straußenkopf drohte. Diese unterhaltsameren Geschichten stehen deutlich hinter den komplexen Ansprüchen der Innenpolitik zurück, ohne dass das Buch dadurch trocken wäre. Beards Stil ist bei aller wissenschaftlichen Ernsthaftigkeit locker und man merkt ihr die Begeisterung für das eigene Fach auf jeder Seite an.
tl;dr: Gutes, aber sehr langes Buch über Rom.
Mary Beard: SPQR. Die tausendjährige Geschichte Roms. Aus dem Englischen von Ulrike Bischoff. S. Fischer 2016. 651 Seiten. Originalausgabe: SPQR. A History of Ancient Rome. Profile Books London 2015.
Das Zitat stammt von S. 209.
Klingt nach der idealen Urlaubslektüre für Lateinlehrer. 😉
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Die könnten sicher hervorragend an den Übersetzungen herumnörgeln.
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Am besten, man liest das Buch gleich mit gezücktem Rotstift. Nicht, dass man noch einen falsch übersetzten Ablativus Absolutus übersieht.
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