Takiji Kobayashi: Das Fabrikschiff

Voller Hoffnung sind die Männer, die zu Beginn dieses Romans an Bord eines japanischen Krabbenfangboots gehen. Von den anwerbenden Büros der Fischereigesellschaft wurden ihnen gute Löhne bei freier Unterkunft versprochen. Bisher arbeiteten sie unter furchtbaren Bedingungen in der Industrie oder im Bergbau auf der Insel Hokkaido. Schlimmer kann es für sie kaum werden. Doch schnell müssen sie erkennen, dass sie vom Regen in die Traufe gekommen sind. Der Inspektor des Schiffs verlangt enorme Arbeitsleistungen und droht bei Zuwiderhandlungen mit drakonischen Strafen bis hin zum Erschießen. Das Arbeiten vor der Küste Kamtschatkas verlangt den Männern alles ab. Die kleinen Fangboote sind unberechenbaren Stürmen ausgesetzt, kalte Winde lassen das Deck vereisen und die Verpflegung besteht oft nur aus einer Schüssel Reis. Nur zwei mal im Monat ist es den Arbeitern erlaubt, sich zu waschen. Etliche der Männer erkranken an Beriberi, arbeiten aber trotzdem weiter bis die Beine endgültig den Dienst versagen und nur noch das Krankenbett im „Jauchefass“ bleibt, der stickigen, ungezieferverseuchten Gemeinschaftsunterkunft der Saisonarbeiter. Hier sitzen die erschöpften Männer abends beisammen und beratschlagen, was getan werden kann gegen die grauenhaften Umstände, in denen sie vegetieren müssen. Als sie den ersten Toten im eiskalten Meer versenken, erkennen sie, dass nur sie selbst sich helfen können und planen einen Aufstand.

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Gleich nach seinem Erscheinen 1929 wurde dieser Roman in Japan verboten. Der Krabbenfang war ein sensibles Thema. Jedes Jahr wurde ein Konkurrenzkampf gegen die russischen Fangflotten geführt, in denen es auch um Gebietsansprüche ging. Von den Männern an Bord wurde erwartet, dass sie die schweren Arbeitsbedingungen als ihren Beitrag zu Vaterland und Kaiserreich verstanden. Aufrührerische Ideen konnte man da nicht gebrauchen. Die Rechte der Männer an Bord waren stark eingeschränkt, wie einer der Matrosen im Roman erklärt. Die „Fabrikschiffe“ waren rechtlich weder Schiffe noch Fabriken und unterlagen somit weder dem Seerecht noch konnten sie von Gewerkschaften profitieren. Durch den schnellen Austausch der Arbeiter an Bord konnte eine Organisation auch weitestgehend verhindert werden.

„Ihr seid hier in einem Staatsbetrieb! Hier ist es genauso wie an der Front, es geht um Leben und Tod! Hier wird gearbeitet, verfluchte Aasbande!“

Die enge Welt, die Kobayashi in seinem kurzen Roman beschreibt, ist düster, brutal und beklemmend. Er versteht es, die Atmosphäre an Bord einzufangen und die Ausweglosigkeit der Männer in Worte zu fassen. Aus seinen politischen Ansichten macht der Autor keinen Hehl und besonders gegen Ende wird dann mitunter doch sehr deutlich auf die Moral der Geschichte hingewiesen – den Bossen sind wir egal, die haben morgen Ersatz für uns. Eine Chance gibt es nur, wenn wir uns organisieren und kämpfen.

Bei aller Politik tritt die Handlung des Romans aber keineswegs in den Hintergrund und auch die Charaktere sind mehr als Statisterie. Mit Spannung verfolgt man, wie die Situation an Bord sich mehr und mehr zuspitzt und schließlich eskaliert. Das Schiff wird in seiner Eiseskälte und den extrem beengten Bedingungen als wahre Hölle beschrieben und man leidet schon ein bisschen mit, wenn die Fischer am Abend versuchen, die dicken, weißen Läuse aus ihrer nassen Kleidung zu klauben. Auch für viele LeserInnen in Japan scheint die Thematik noch aktuell zu sein. Als das Land 2008 von der Finanzkrise gebeutelt wurde und Gesetze zugunsten der Arbeitgeber geändert wurden, stand die Manga-Version des Klassikers auf einmal weit oben auf der Bestsellerliste. Auch die kommunistische Partei Japans freute sich in dieser Zeit über enormen Zulauf. Und nicht zuletzt gab es auch eine Neuverfilmung des Romans, deren Bildsprache deutlich dem neuen Publikum angepasst ist.


Takiji Kobayashi: Das Fabrikschiff. Cass Verlag 2012. 104 Seiten. Originaltitel: Kani Kōsen 蟹工船. Die deutsche Übersetzung erschien erstmals 1958 unter dem Titel Krabbenfischer im Verlag Volk und Welt. Diese Übersetzung wurde durch Alfons Mainka überarbeitet und um einige Stellen ergänzt, die in der ersten Ausgabe ausgelassen wurde.

Das Zitat stammt von S. 60.

3 Gedanken zu “Takiji Kobayashi: Das Fabrikschiff”

  1. Klingt wiederum sehr interessant. Und kurz. Kurz erhöht die Chancen auf gut nach meiner Erfahrung bei der Mehrheit der Bücher… (nicht so sehr bei Staatsoberhäuptern…)

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