Scotland My Mountain Hame – „Chrystal Croftangrys Geschichte“ von Sir Walter Scott

Die Geschichte von Chrystal Croftangry ist, wie das meiste aus Scotts Werk, in Deutschland kaum bekannt. Es handelt sich bei diesem Buch um eine Sammlung von Geschichten, die Scott schrieb, während er hochverschuldet seinen Broterwerb mit dem Verfassen einer umfassenden Napoleon-Biographie bestritt. Sein Protagonist ist ihm in vielem ähnlich: wie auch Scott ist Croftangry hochverschuldet, wenn auch aus anderen Gründen. Er ist ein auf Abwege geratener Sohn einer reichen Familie, der nach Jahren in der Fremde in seine schottische Heimat zurückkehrt und in Edinburgh wieder sein Glück machen will.

„Sie ließen sich nichts zuschulden kommen gegenüber Gott und den Menschen, die Croftangrys, und wie ich schon gesagt habe: Wenn sie auch nicht viel Gutes taten, so taten die doch auch nicht viel Schlechtes.“

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Takiji Kobayashi: Das Fabrikschiff

Voller Hoffnung sind die Männer, die zu Beginn dieses Romans an Bord eines japanischen Krabbenfangboots gehen. Von den anwerbenden Büros der Fischereigesellschaft wurden ihnen gute Löhne bei freier Unterkunft versprochen. Bisher arbeiteten sie unter furchtbaren Bedingungen in der Industrie oder im Bergbau auf der Insel Hokkaido. Schlimmer kann es für sie kaum werden. Doch schnell müssen sie erkennen, dass sie vom Regen in die Traufe gekommen sind. Der Inspektor des Schiffs verlangt enorme Arbeitsleistungen und droht bei Zuwiderhandlungen mit drakonischen Strafen bis hin zum Erschießen. Das Arbeiten vor der Küste Kamtschatkas verlangt den Männern alles ab. Die kleinen Fangboote sind unberechenbaren Stürmen ausgesetzt, kalte Winde lassen das Deck vereisen und die Verpflegung besteht oft nur aus einer Schüssel Reis. Nur zwei mal im Monat ist es den Arbeitern erlaubt, sich zu waschen. Etliche der Männer erkranken an Beriberi, arbeiten aber trotzdem weiter bis die Beine endgültig den Dienst versagen und nur noch das Krankenbett im „Jauchefass“ bleibt, der stickigen, ungezieferverseuchten Gemeinschaftsunterkunft der Saisonarbeiter. Hier sitzen die erschöpften Männer abends beisammen und beratschlagen, was getan werden kann gegen die grauenhaften Umstände, in denen sie vegetieren müssen. Als sie den ersten Toten im eiskalten Meer versenken, erkennen sie, dass nur sie selbst sich helfen können und planen einen Aufstand.

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Laurence Sterne: Leben und Ansichten von Tristram Shandy, Gentleman – das Hörspiel

Leben und Ansichten von Tristram Shandy Gentleman von Laurence Sterne

„Schrifstellerei, so sie denn recht betrieben, ist nichts anderes als Konversation.“

Während der Weihnachtsfeiertage lief im Deutschlandfunk eine Hörspielbearbeitung von Tristram Shandy und ich hatte endlich, endlich mal wieder Zeit, ein Hörspiel mit mehreren Folgen im Radio zu hören. Das letzte mal ist mir das 2005 mit irgendwas von Pratchett gelungen. Und es hat sich mehr als gelohnt.

Tristram Shandy wird oft als einer der wichtigsten Werke der neueren englischen Literatur bezeichnet. Der Roman als Gattung steckte noch in den Kinderschuhen, als Laurence Sterne schon mutig voranschritt und jede Genre-Grenze ignorierte. Zeitgenossen wie Lessing fanden sehr viel Lob für dieses Werk und auch spätere AutorInnen wie James Joyce und Virginia Woolf zeigten sich beeindruckt vom Erfindungsreichtum Sternes. Trotzdem liest heute fast niemand Tristram Shandy, es sei denn, man muss. Und es müssen fast nur Anglistik-StudentInnen – daher auch mein (schmerzhafter) Erstkontakt mit dem Buch.

Veröffentlicht wurde der Roman erstmals von 1759 bis 1767 in neun Teilen, in heutigen Gesamtausgaben sind das ca. 850 Seiten. Die Handlung ist recht unspektakulär. Leben und Ansichten von Tristram Shandy, Gentleman ist der volle Titel und eben darum geht es auch. Allerdings wird dieses Leben nicht in einer stringenten Folge erzählt sondern der Erzähler, Tristram selbst, springt vor und zurück, zu Nebenschauplätzen und wieder zur eigentlichen Handlung. Im ersten Teil erzählt er von seiner Zeugung und von da an dauert es noch drei volle Teile, bis er geboren wird. Zwischendrin erzählt er viel von seinem Onkel Toby, der im Krieg eine Verletzung des Schambeins erlitten hat, infolgedessen eine Leidenschaft für Festungsbau entwickelt hat und auf einem Stück Land hinterm Haus der Shandys an einer eigenen Festung arbeitet, in der er bedeutende Schlachten des siebenjährigen Krieges nachstellt. Walter Shandy, Tristrams Vater, ergeht sich vor allem in philosophischen Betrachtungen und bedauert nichts mehr als die Tatsache, dass Tristrams Nase bei der Geburt so platt gedrückt wurde, dass aus dem Sohn eigentlich nichts mehr werden kann. Sowohl die Leistenverletzung als auch das Nasen-Thema bieten Boden für reichlich Witze, die im 18. Jahrhunderts wahrscheinlich der gewagte Gipfel der Frivolität waren, fast 250 Jahre später aber… nun ja, ermüdend sind.

Was die Hörspielbearbeitung in diesem Fall leistet, ist tatsächlich großartig. Es wird rabiat gekürzt, und so schwierig ich das sonst finde, ist es in diesem Fall der Weg, diesen anstrengenden Koloss in einen großen Spaß zu verwandeln. Die Inszenierung lebt von den Sprecherinnen und Sprechern, aber auch von den externen Stimmen die eingespielt werden – der Übersetzer greift hin und wieder erklärend ein, ein Kinderarzt spricht über die mögliche Notwendigkeit einer Beschneidung und ein Theologe erklärt, warum und wie man exkommuniziert werden kann. Das Hörspiel geht auf eine gewisse Distanz zum Ausgangswerk, macht aber auch begreiflich, warum dieser Roman über Jahrhunderte so viele begeistern konnte. So deutlich auch gekürzt wird, bleibt doch die Essenz des Romans bestehen und arbeitet darüberhinaus den Witz und den Einfallsreichtum heraus, der sonst zwischen den ganzen Flachwitzen leicht verloren geht.

Wer die Eddie Dickens-Reihe kennt und mag, wird dieses Hörspiel lieben. Wer sie nicht kennt, sollte das ändern, aber auf jeden Fall auch Tristram Shandy hören. Uneingeschränkte Empfehlung!

Derzeit kann man das Hörspiel übrigens noch über untenstehenden Link zum BR downloaden.


Laurence Sterne: Leben und Ansichten von Tristram Shandy, Gentleman. Übersetzt von Michael Walter. Bearbeitung und Regie: Karl Bruckmaier. Eine Produktion des Bayerischen Rundfunk. CD-Edition: der Hörverlag 2015. ca 7,5 Stunden, ca. € 39,99. Michael Walters Übersetzung ist in Buchform 2015 bei Galiani erschienen, 848 Seiten, € 24,99.

Das Zitat stammt aus Teil 2, Kapitel 11.