2014 stand Becky Chambers vor der Entscheidung: neuen Job suchen oder Roman schreiben? Mit Hilfe einer Crowdfunding-Aktion gelang es ihr, die joblose Zeit zu überbrücken und sich auf ihre schriftstellerische Tätigkeit zu konzentrieren. Das Ergebnis, die Geschichte der jungen Rosemary, die ihren ersten Job an Bord eines Raumschiffes bekommt, wurde zum Überraschungserfolg und wurde für jeden Preis in greifbarer Nähe nominiert. In diesem Sommer erscheint nun schon der dritte Roman von Chambers.
Hier aber soll es um den ersten gehen, der an Bord des Raumschiffs Wayfarer spielt. Kapitän Ashby hat als Ergänzung für seiner chaotischen Crew die junge Rosemary angeheuert, deren undankbarer Job fortan die Organisation aller Bordangelegenheiten ist. Erst noch schüchtern taut sie doch schnell auf in Gesellschaft der sympathischen Crew, die aus den verschiedensten Ecken des Universums stammt. Längst nicht alle von ihnen sind humanoid und es braucht einiges diplomatisches Geschick und Geduld um so viele Bedürfnisse, Besonderheiten, Arme und Schuppen unter einen Hut zu bringen. Und gerade jetzt ist es besonders wichtig, dass die Crew zusammenhält. Die Wayfarer ist ein Bohrschiff, das Wurmlöcher durchs Universum legt und so für schnelle und effiziente Verbindungen sorgt. Ashby hat nun einen besonders gut bezahlten, aber auch riskanten Job an Land gezogen: sie sollen einen neuen Tunnel bauen zum Planeten Hedra Ka, dem Hauptplaneten der aggressiven Toremi, die erst vor kurzem der Allianz der Galactic Common beigetreten sind. Der Weg ist lang und der Planet potentiell feindselig, aber die Wayfarer scheut die Herausforderung nicht.
„Funny how it’s always the speciests who ruin things for everybody else.“
Obwohl ich sonst kein besonders großer SciFi-Fan bin, hat Chambers mich sofort gekriegt. Der Wayfarer-Geschichte mangelt es nicht an Spannung und Action, aber eben auch nicht an Humor. Die Versammlung skurriler aber sympathischer Charaktere erinnert manchmal ein bisschen an Douglas Adams – ein bisschen ernster und weniger absurd geht es dann aber schon zur Sache. Die kritischen Parallelen zu Kolonialismus, Ausbeutung von Ressourcen und Rassismus (im Kontext des Romans natürlich eher Speziesismus) sind unübersehbar, die Moralkeule aber schwingt Chambers nicht. Übrigens kommen die Menschen in diesem Roman nicht besonders gut weg. Als gierige Individuen haben sie ihren Planeten erfolgreich zugrunde gerichtet und erkämpfen sich erst langsam und misstrauisch beäugt einen Platz in den Galacitc Commons. In Chambers Universum geht es aber nicht um fiese Feinde oder glänzende Helden. Man betritt die Geschichte zwar mit Rosemary (einer menschlichen Bewohnerin der Mars-Kolonie), sie bleibt aber nicht im Fokus und die Geschichte verteilt sich mehr oder weniger gleichmäßig auf mehrere Charaktere. Auch die Welten und Kulturen, durch die Chambers die Wayfarer reisen lässt, sind originell, schlüssig und durchdacht. Bei den Alien-Spezies gibt es ein paar sehr schöne und überraschende Ideen und Details, besonders was die kreative Platzierung und Verwendung von Gliedmaßen angeht. Rosemary ist als Reflektor übrigens eine sehr große Hilfe. Sie ist, wenn auch auf dem Mars aufgewachsen, immerhin ein Mensch und hat eine angenehm vertraute Perspektive bei der Entdeckung des Universums. Als Linguistin im Herzen hat mich auch die wirklich interessante Sprachvielfalt begeistert. Auch hier zeigt die Autorin einen großen Einfallsreichtum und lässt die Aliens auf sehr unterschiedliche Arten kommunizieren.
Die große Mission der Wayfarer ist zwar immer das tragende Element des Romans, statt um Schießereien und technobabble geht es unterwegs aber vielmehr um die Entwicklung der Crew, sowohl der einzelnen Mitglieder als auch des Miteinanders. Jede Figur bringt ihre Vergangenheit, Fähigkeiten und Schwächen ein und es ist an der kompletten Mannschaft, das beste daraus zu machen. Freundschaften und sogar Liebe entstehen in den unwahrscheinlichsten Konstellationen und Feindschaft hat auf einem so kleinen Raumschiff nicht genug Platz. Die einzelnen Charaktere werden so detailliert und schlüssig beschrieben, dass ich am Ende gerne noch mit ihnen weitergeflogen wäre. Vielleicht ja in einem der nächsten Bände.
Becky Chambers: The Long Way to a Small, Angry Planet. Hodder & Stoughton 2015. 404 Seiten. Deutsche Übersetzung unter dem Titel Der lange zu einem kleinen zornigen Planeten. Übersetzt von Karin Will. Fischer 2016.
Das Zitat stammt von S. 283
Nicht wahr? Ich wäre auch gern weiter an Bord geblieben!
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Ich mochte so gerne, dass es echt was fürs Herz ist, ohne dabei an Smartness zu verlieren.
Das zweite Buch ist auch gut, aber ganz anders als das erste.
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Das Buch steht noch ungelesen, allerdings als deutsche Übersetzung im Regal. Ich sollte es wohl bald mal lesen. Danke für Deinen Anschub. Viele Grüße
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Ich hatte es hier auch eine ganze Zeit lang stehen, vor allem weil ich mir, trotz des enormen Hypes, nicht sicher war, ob ich es trotz des Genres mögen würde. SciFi assoziiere ich völlig zu unrecht eben immer noch mit Raumschiff-Geballere.
Viel Spaß damit, wenn es soweit ist!
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