In Kochen im falschen Jahrhundert lässt Teresa Präauer ihre Protagonistin eine qualvolle Dinnerparty durchleiden, die so ganz anders ist, als der glamouröse und leichte Abend, den sie sich erhofft hatte.

- 250 g Mehl
- 125 g Butter
- 1 Ei
Was sich liest wie ein harmloses Rezept für einen Mürbeteig, ist der Ausgangspunkt für einen Abend, der schlecht startet und nicht viel besser wird, und für ein Nachsinnen über das eigene Leben und das der anderen. All der anderen, die in den Jahrzehnten und Jahrhunderten zuvor Mürbeteig geknetet haben. Und deren Nachfahrin jetzt in einer schicken Wohnung mit Balkon steht, eine teure Schürze über dem schwarzen Jumpsuit trägt, Crémant aus dem Elsass kippt und sich ärgert. Über die verspäteten Gäste und darüber, dass sie sich über sie ärgert. Denn das macht man ja eigentlich nicht, wenn man einen langen dänischen Esstisch hat und ein offenes Haus, ein Haus, in dem die internationalen und interessanten Gäste ein- und ausgehen und zwischendrin geistreiche Sachen sagen.
„Das Salz wäre insgesamt grobkörnig und würde nicht gestreut, sondern mit einem kleinen Löffelchen aus mattgrünem Büffelhorn einem kleinen Becherchen aus demselben Material entnommen. Die Herkunft des Büffelhorns wäre mit Kenia, Afrika, bereits geklärt.“
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Die Gäste an diesem Abend aber verspäten sich, laufen mit nassen Schuhen durch die Wohnung, aschen auf die Nachbarskatze und kritisieren den aufdringlichen Geruch der eigens gekauften und dekorativ platzierten Feuerlilien. Aber über nichts davon ärgert man sich, als moderne Frau und weltgewandte Gastgeberin. Und wenn, dann nur heimlich in der Küche, wo man über das Gelaber eines Gastes hinweg die Quiche in den Ofen bekommen muss. Die übrigens ist das nüchterne Ergebnis wochenlanger Überlegungen und Träumen von orientalischen Aromen in vier Gängen.
Realität und Erwartung der Gastgeberin gehen auseinander und das wird auch so bleiben, ahnt man. Egal, wie viele Kochbücher sie wälzen wird um raffinierte Spezialitäten auf den Tisch zu bringen, egal, wie ausgesucht die Wiesenblumen-Arrangements auf dem dänischen Esstisch sind und auch egal, wie schön die sorgsam gedruckten Einladungskarten gelingen – ihre Gäste sind leider nicht spannend genug. Statt geistreich zu plaudern, machen sie Fotos mit albernen Filtern, die sie mit #foodporn ins Netz laden und wissen nicht, „was man heute noch sagen darf“. Der Gastgeberin entgleitet der Abend zusehends, und sie selbst muss realisieren, dass sie mehr bourgeois denn Bohemienne ist und weiß irgendwann gar nicht mehr, wie sie ihre Schürze noch ironisch brechen soll, und ob sie das überhaupt muss.
Kochen im falschen Jahrhundert punktet sicher nicht mit der Handlung, durchaus aber mit der sehr präzisen Beobachtung der Tischgesellschaft. Eine Runde von Mitvierzigern, die es mittlerweile „zu etwas gebracht“ haben und gerne ein bisschen aufregender, wilder, unkonventioneller wären, als sie es sind. Die ihre Jugendjahre mit Leberkässemmel und KiBa in der Kneipe hinter sich gelassen haben, aber noch nicht so richtig wissen, was jetzt. Präauer wirft einen sehr kritischen Blick auf diese Runde, wird aber nicht boshaft dabei. Und trotzdem fühlt man sich manchmal ertappt in diesem kurzen Roman. Wahrscheinlich, weil man schneller Teil einer solchen Runde wird, als man #cheers tippen kann.


