Zwei plus zwei ist vier. Immer und überall. – Die Abenteuer des Prof. Dr. Dr. Dr. Augustus van Dusen

Im März 1898 strandet im Hafen von Brooklyn ein toter Mann in einem Motorboot. Er trägt eine holländische Uniform und ein Taschentuch mit den Initialen EMB bei sich. Weitere Hinweise auf seine Identität finden sich nicht, die Todesursache scheint völlig unklar. Der gerade neu eingesetzte Detective-Sergeant Caruso vom NYPD ist hoffnungslos überfordert mit dem Fall. Zum Glück gibt es den findigen Reporter Hutchinson Hatch, der das Superhirn und Amateuer-Kriminologen Prof. Dr. Dr. Dr. Augustus van Dusen überzeugen kann, sich dem Rätsel anzunehmen. Es ist der Beginn einer jahrelangen Zusammenarbeit und einer überaus charmanten Hörspiel-Serie.

Die Geburt der Denkmaschine

Erfunden wurde das kriminalistische Duo vom US-amerikanischen Autor Jacques Futrelle. Er veröffentlichte 1905 die erste Erzählung „Das sicherste Gefängnis der Welt“, die später der zweite Teil der Hörspiel-Reihe werden sollte. Schon damals bekam der unfassbar kluge Professor den Spitznamen „Die Denkmaschine“, trat aber ansonsten mit weniger akademischen Ehren als Prof. Augustus S. F. X. van Dusen auf. Aber auch schon da war er ein umtriebiger Wissenschaftler. Futrelle hatte unter anderem Albert Einstein vor Augen, als er die Figur der hochbegabten Denkmaschine entwarf. Im Hörspiel nutzt van Dusen später jede freie Minute, um an seiner atomaren Strukturtheorie der Elemente zu arbeiten. Einen Roman und 51 Erzählungen rund um die Denkmaschine konnte Futrelle fertigstellen, bevor er, wenige Tage nach seinem 37. Geburtstag, im April 1912 mit der Titanic unterging. Die Erzählungen gerieten zunächst beinahe in Vergessenheit, insbesondere im deutschsprachigen Raum.

Erscheinungs- und Handlungsreihenfolge hängen bei dieser Serie allenfalls lose zusammen.

Wiederentdeckung als Hörspiel

In den 1970er-Jahren konnte sich dann aber Hörspiel-Autor Michael Koser wieder für das Genie begeistern. Ab 1978 erschien die Hörspielreihe um Professor van Dusen beim RIAS. Dabei basieren nur die ersten Fälle des Duos Hatch – van Dusen auf den Geschichten von Futrelle. Recht schnell ließ Koser die literarische Vorlage hinter sich und schickte die beiden auf Weltreise. Von New York aus ging es mit dem Schiff nach England, von dort auf große Europatour und schließlich über Nord-Afrika in den Orient und ins ferne Asien. Unterwegs stoßen die beiden überall auf kleine und große Verbrechen, die der begabte Amateur-Kriminologe selbstverständlich lösen kann. Verschwundene Diamanten, erpresste Kaiser, grausame Morde und gestohlene Schweine – für van Dusen ist kein Fall zu schwer. Nur interessant muss er sein! Von 1898 bis 1912 sind die beiden mit Unterbrechungen unterwegs. Koser machte in seiner Bearbeitung Hutchinson Hatch zu einer deutlich größeren Figur, als bei Futrelle der Fall war. Er erzählt die Fälle als Chronist und bildet dabei mit seiner unbekümmerten Art einen Gegenpol zum ernsthaften van Dusen.

Die Hörspielreihe umfasste schließlich 79 Teile. Bis 1993 wurden diese vom RIAS ausgestrahlt, danach im Deutschlandradio. 1999 wurde die letzte Folge gesendet. Die Fälle erschienen nicht in der chronologischen Reihenfolge. Immer wieder wurden zwischendrin Fälle veröffentlicht, die noch in Amerika spielen oder auf andere Stationen der Reise zurückgreifen. Da die Fälle aber, bis auf wenige Doppelfolgen, immer sehr in sich geschlossen sind, kann man trotz der Zeitsprünge problemlos überall einsteigen und folgen. Einige Running Gags und Phrasen ziehen sich natürlich durch, unter anderem van Dusens Weisheit, dass zwei plus zwei vier ist. Immer und überall! Und natürlich tauchen auch einige Figuren immer wieder auf, wie der unfähige Caruso aus dem ersten Fall und ein paar hartnäckige Bösewichte.

Nach der letzten Ausstrahlung war es gar nicht mehr so einfach, den Abenteuer van Dusens zu folgen. Ich lernte ihn überhaupt erst 2005 kennen. Über Jahre hatte ich eine unvollständige und wirre Sammlung von mp3s unklarer Provenienz auf dem Rechner, bis 2010 endlich Hoffnung am Horizont war: es gab die Hörspiele endlich auf CD! Nach etlichen Label- und Vertriebswechseln sind bisher immerhin 30 der Fälle erschienen und zudem einige neue Fälle, die aber natürlich kein Ersatz für die Klassiker sein können.

Die Erde hat ihn wieder

Und nun habe ich endlich entdeckt, ich weiß gar nicht, wie mir das bisher entgehen konnte, dass die Reihe nun auch bei den Öffentlich-Rechtlichen wieder am Start ist. Nur deshalb schreibe ich das alles hier eigentlich, um euch zu sagen: Man kann jetzt wieder Professor van Dusen hören, wenn man will. Man konnte auch vorher schon bei gängigen Streaming-Anbietern, nun aber auch kostenfrei, z. B. in der ARD-Mediathek oder auch beim Deutschlandfunk. Und jeden Monat kommt ein Fall dazu! Damit dürfte die ARD die CD-Veröffentlichungen bald überholt haben. Das ist mir eine große Erleichterung, denn meine mp3-Sammlung ist verloren und seit Jahren will ich nichts anderes im Leben, als endlich wieder „der Fall Zola“ hören. Darauf allerdings werde ich noch 50 Monate warten müssen.

Wer den Professor noch gar nicht kennt, dem sei zunächst Folge 11 ans Herz gelegt, das ist nämlich der erste Fall. Ansonsten empfehle ich sehr gerne „Zocker, Zossen und Zinnober“ – in dieser Folge sind Hatch und van Dusen im preußischen Berlin unterwegs und geraten mit dem preußischsten aller Gardeoffiziere aneinander, was ein großer Spaß ist. Hatch hat einen sehr charmanten, wenngleich unrühmlichen Auftritt in „Hatch will heiraten„, ebenso wie in „Rotes Blut und weißer Käse„, wo er und van Dusen in einer Monte Verità-ähnlichen Kommune landen. Für Whiskey-Freund Hatch ist das Leben unter den Reformern ein echter Albtraum. Oder man steigt ein mit „Wettbewerb der Detektive„, in dem van Dusen antritt gegen einen Mann der aus rechtlichen Gründen nicht Sherlock Holmes heißen darf, es aber natürlich trotzdem ist. Keine Frage, wer gewinnt!

Womit immer ihr anfangt – viel Spaß beim Hören und hoffentlich viel Vorfreude auf die nächsten 50 Folgen!

7 Gedanken zu “Zwei plus zwei ist vier. Immer und überall. – Die Abenteuer des Prof. Dr. Dr. Dr. Augustus van Dusen

  1. Andreas Kück - .LESELUST 20. August 2022 / 10:36

    Im Rahmen der Serie „Mordsfrühstück“ im bremer kriminal theater lauschten wir vor einigen Jahren dem Live-Hörspiel/ der Lesung „PROFESSOR VAN DUSEN – Heißes Pflaster Tanger“ mit zwei Schauspielern. Der absolut gelungene Vortrag – gekoppelt mit einem leckeren Frühstück – überzeugte uns voll & ganz!

    Ansonsten habe auch ich vor einiger Zeit die „alten“ Radio-Hörspiele wieder für mich entdeckt: Einfach nur herrlich!!!

    Lieben Gruß
    Andreas

    Gefällt 1 Person

    • schiefgelesen 20. August 2022 / 14:18

      Stimmt! Die hatten den auch mal auf dem Spielplan. Damals leider zu spät entdeckt und seitdem keine Gelegenheit mehr gehabt. Wobei ich ohnehin zugeben muss, dass ich das Kriminaltheater nur ganz selten auf dem Radar habe, obwohl ich da offenbar was verpasse.

      Gefällt 1 Person

  2. Christoph 20. August 2022 / 16:12

    Die Hörspielserie war mir bisher überhaupt kein Begriff — vielen Dank für den Tipp, liebe Marion!

    Bestimmt wird mir Prof. Dr. Dr. Dr. van Dusen zu einem treuen Begleiter in den bevorstehenden schaurigen Herbst- und Wintermonaten voller Viren und Eiseskälte. 😉

    Gefällt 1 Person

  3. eimaeckel 20. August 2022 / 22:20

    Deine Leidenschaft für die Serie kommt stark rüber. Bin kein Hörspiel Fan, aber wenn, dann die alten..

    Gefällt 2 Personen

    • schiefgelesen 21. August 2022 / 8:10

      Ich gebe zu, dass ich mit den neueren und durchaus anspruchsvollen Produktionen auch ganz schön oft nichts anfangen kann. Das liegt aber auch daran, dass Hörspiel bei mir meistens „so nebenbei“ läuft und ich dann zumindest einen Teil meiner Aufmerksamkeit noch für anderes brauche.

      Gefällt 1 Person

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