Essen aus Büchern: Pasteles de Carne aus Linda Grants „When I Lived in Modern Times“

In When I Lived in Modern Times erzählt Linda Grant von einem sehr jungen Staat und einem sehr jungen Mädchen, das dort einen Neuanfang wagen will. Die junge Evelyn Sert bekommt als Jüdin die Gelegenheit in das damals noch britische Mandat Palästina auszuwandern. Doch das erhoffte Paradies findet sie nicht in der neuen Heimat. Schließlich lässt sie sich in Tel Aviv nieder und versucht, Teil der vielversprechenden neuen Gesellschaft zu werden.

Dort trifft sie auch auf Frau Linz, die sehr jung „out of caprice“ einen älteren Mann geheiratet hat, der aus Thessaloniki stammte. Die dortige jüdische Gemeinde wurde 1492 von aus Spanien vertriebenen Sepharden gegründet und galt als orthodox und dem Mystizismus zugewandt. Das spanische Erbe beeinflusste die Kultur und Küche dieser Gemeinde sehr nachhaltig. Die Juden Thessalonikis sprachen eine eigene Sprache, Ladino, eine Mischung aus hebräischen und spanischen Wurzeln. Die Sprache ist heute beinahe ausgestorben – 1941 wurden fast alle der 60.000 Gemeindemitglieder nach Auschwitz und Treblinka deportiert. Nur rund 1.500 Menschen überlebten. Einer davon ist im Roman Herr Linz, der laut seiner Frau unerträglich ist. Frau Linz macht wenig Hehl daraus, dass sie wenig Sympathien für die letzten versprengten Reste der Saloniki-Juden und insbesondere für ihren Mann übrig hat:

„‚All they have left, now, the few that survived, on one little legacy which reminds them of the past and you know what it is?‘ She laughed. ‚Not great works of literature, not music or painting or philosophy but their food. Yes. Linz made me make little meat pies which he called pasteles de carne from beef and eggs. He said his mother would prepare them for hom when he was a child but mine were vastly inferior to hers. As he so frequently told me. Of course the name of this dish tells you that it came originally from Spain.'“

Dass die jeweilige Küche im Zentrum einer jeden Gesellschaft steht, ist übrigens auch eine These des Soziologen und Philosophen Edgar Morin, dessen Familie ursprünglich aus Thessaloniki stammte, zu Beginn des 20. Jahrhunderts aber nach Frankreich emigrierte.

Ich fürchte, auch meine Pasteles werden nicht an die von Linz‘ Mutter heranreichen, aber niemand ist da, der das beurteilen könnte. Also kommt hier das Rezept für die besten pasteles de carne, die ich je gegessen habe:

Pasteles_de_Carne

Pasteles de Carne

Rezept für 8 Stück

für den Teig:

  • 125 ml Sonnenblumenöl
  • 125 ml warmes Wasser
  • 1/2 TL Salz
  • 350 g Mehl

für die Füllung:

  • 250 g Rinderhack
  • 1 mittelgroße Zwiebel
  • 3 TL Pflanzenöl
  • 1 Prise Zucker
  • 1 TL Kreuzkümmel
  • 1/2 TL Zimt
  • 1/2 TL Salz
  • Pfeffer
  • 1 hartgekochtes Ei
  • 2 EL gehackte Petersilie
  • 20 g geröstete Pinienkerne

außerdem:

  • 1 Ei

Für den Teig Mehl, Salz, Öl und Mehl gründlich verkneten. Den fertigen Teig in Klarsichtfolie wickeln und ca. 1 Stunde ruhen lassen (nicht kühlen).

In der Zwischenzeit die Zwiebel fein hacken und in einer Pfanne glasig dünsten. Anschließend das Hackfleisch ebenfalls in die Pfanne geben und braten, bis es gar ist. Mit Kreuzkümmel, Zimt, Zucker, Salz und Pfeffer würzen. Die Pinienkerne und das gekochte Ei hacken und mit dem Hackfleisch vermengen. Die Petersilie ebenfalls unterheben.

Den Ofen auf 180°C vorheizen. Ein Drittel des fertigen Teiges abnehmen und daraus 8 kleine Bällchen formen. Aus dem übrigen Teig ebenfalls 8 größere Bälle formen. Aus den größeren Stücken werden die Unterteile geformt. Dazu wird der Teig platt gedrückt und an den Rändern so hochgezogen, dass möglichst hohe und dünne „Wände“ entstehen. Das klappt vielleicht erst beim zweiten oder dritten Anlauf, aber auch hässliche Pasteles können leckere Pasteles sein. Die Pasteten mit jeweils 1/8 der Hackfleisch-Masse füllen. Die kleineren Teigportionen flach drücken oder ausrollen. Aus ihnen werden die Deckel der Pasteten. Jede Pastete mit einem Deckel verschließen, dabei die Ränder gründlich zusammendrücken.

Das Ei verrühren und jede Pastete damit bestreichen. Im vorgeheizten Ofen etwa 30 Minuten lang backen, bis sie goldbraun werden.

Der Teig ist leider ziemlich empfindlich. Man darf ihn nach dem Ruhen nicht zu viel kneten, sonst wird er zäh wie Kaugummi. Wer sich nicht an Speisegesetze halten muss die es verbieten, das Böcklein in der Milch seiner Mutter zu kochen, kann natürlich einfach einen Mürbeteig mit Butter machen, damit dürfte es ein bisschen leichter gehen. So oder so sind die Pasteles aber eine feine Sache. Gegessen haben wir sie mit einem Tomaten-Mozzarella-Salat, wo wir wieder bei der Milch der Mutter wären. Aber Herr Linz war ja gar nicht da zum Essen.


Das Zitat stammt aus Linda Grant: When I Lived in Modern Times. Granta (London), 2000. S. 175.

Dieses Rezept ist von The Royal Kitchen, dessen Autoren es wiederum aus dem Buch Book of Jewish Food von Claudia Roden haben. 

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