Liebe in Zeiten des Umbruchs – Kathleen Collins „Nur einmal“

Als die Filmemacherin Kathleen Collins 1988 starb, fand ihre Tochter im Nachlass etliche handschriftlich verfasste Texte. Sie war nicht in der Lage, sich damit näher zu befassen, nahm die Texte aber mit und verstaute sie in einer Truhe, die erst als Couchtisch diente und dann im Keller verschwand. Erst rund 20 Jahre nach dem Tod von Kathleen Collins sichtete ihre Tochter den Fund genauer und entdeckte neben einigen Theaterstücken eine Sammlung von Kurzgeschichten, die in den 60er-Jahren entstanden waren. Kathleen Collins war damals sehr aktiv in der Bürgerrechtsbewegung und kämpfte für eine gerechtere Gesellschaft. Dieser Geist schwingt in allen ihren Texten mit.

Diese Zeit verlangt nach einer bildgewaltigen Metapher, denn wir tauchen hinab in die legendären Abgründe Amerikas… dort, wo man sich die Nase am groben Sand der Illusion aufschürt und blutend wieder auftaucht.

Die Kurzgeschichten sind aber nicht in erster Linie politischen Inhalts, wenn auch die Bürgerrechtsbewegung immer eine Rolle spielt. Wie der Originaltitel der Sammlung Whatever Happened to Interracial Love? ahnen lässt, geht es in ihren Texten aber vor allem um zwischenmenschliche (Liebes)Beziehungen. Sie beschreibt eine Zeit und eine Atmosphäre, in der gesellschaftliche Grenzen (zumindest scheinbar) mit ungeheurer Geschwindigkeit erweitert wurden. Dabei steht immer die Frage im Raum, wie sehr die gesellschaftlichen und politischen Umstände bis in die tiefste Privatsphäre dringen können, ob man das verhindern kann und ob man das will. Eine ihrer Protagonistinnen lässt sie mit großer Begeisterung erkennen, dass es nun plötzlich nicht mehr nur möglich ist, einen schwarzen Arzt oder Anwalt zu heiraten, sondern auch einen Lastwagenfahrer oder – ein Gedankenexperiment ungeheurer Brisanz – sogar einen Weißen. Doch trotz aller Aufbruchstimmung ist die Hautfarbe in allen Geschichten noch immer die eine große Determinante. Sie ist nicht aus der Welt zu schaffen, trotz aller Bemühungen und Fortschritte bleibt sie ein für alle sichtbarer Faktor, der tiefe Gräben zieht. Der Kampf um Gleichberechtigung bringt einige von Collins Figuren in Gefahr und lässt viele verzweifeln. Zu groß und zu weit entfernt scheint das Ziel zu sein.

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Die Texte unterscheiden sich sehr in ihrer Länge, der erste und kürzeste ist gerade zwei Seiten lang. Doch keiner von ihnen lässt etwas vermissen. Collins schreibt sehr dicht, deutet einiges nur an und schafft dabei eine wahnsinnige Wucht, eine große Kraft und Energie. Es gelingt ihr, die geballte Wut und Hoffnung dieser großen Bewegung in ihren Texten einzufangen, ohne dabei jemals pathetisch zu werden. Das alles bewerkstelligt sie in einem ganz eigenen, sehr leicht und zart wirkenden Stil, der die Tiefe der Themen dennoch bestens transportiert.

Ich lese tatsächlich eher selten Kurzgeschichten, weil ich oft das Gefühl habe, dass etwas fehlt, dass die Geschichten nicht rund sind. Erfreulicherweise wurde ich in den letzten Jahren einige Male positiv überrascht und Collins ist mit Sicherheit eine sehr, sehr positive Überraschung. Es ist ein großes Glück, dass ihre Geschichten doch noch entdeckt und verlegt wurden. Ich halte Collins Talent und ihr schriftstellerisches Schaffen für eine schmale, aber große Bereicherung.


Kathleen Collins: Nur einmal. Aus dem Englischen übersetzt von Brigitte Jakobeit und Volker Oldenburg. Kampa 2018. 187 Seiten. Originalausgabe 2016 unter dem Titel Whatever Happened to Interracial Love? bei Harper Collins NY.

Das Zitat stammt von S. 41.

Ich danke dem Verlag für das Leseexemplar. Ohne hätte ich das Buch wahrscheinlich nicht entdeckt, wäre aber nicht weniger begeistert, hätte ich 20,- € dafür bezahlt.

3 Gedanken zu “Liebe in Zeiten des Umbruchs – Kathleen Collins „Nur einmal“

  1. Prinzessin Karl 26. Januar 2019 / 20:31

    Vielen Dank für den Tipp – dieses Buch hätte ich ohne dich sicher nicht entdeckt!

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