Es ist einsam im australischen Tiverton. Ein Kaff, so klein, dass die Polizeidienststelle von nur einem Beamten besetzt ist, der im angrenzenden Haus auch gleich wohnt. Im Moment ist es Constable Hirsch, der dort seinen Dienst versieht. Freiwillig kommt niemand an diesen Ort, auch Hirsch hat den Aufenthalt einer Strafversetzung zu verdanken. In seiner Heimatstadt Adelaide hat er korrupte Kollegen ans Messer geliefert, während man ihm selbst nichts hat nachweisen können. Dass er sich wirklich nichts hat zu Schulden kommen lassen, können nicht mal seine Eltern glauben.
Die Zeit in Tiverton, wo Ladendiebstahl schon das größte Verbrechen ist, droht lang zu werden. Doch dann wird die Leiche einer jungen Frau an einer Straße gefunden. Schon bald ahnt Hirsch, dass mehr dahinter steckt als ein Unfall mit Fahrerflucht. Leider kann er bei der Ermittlung weder auf die Unterstützung der Bevölkerung setzen, die mit der Polizei vor Ort miese Erfahrungen gemacht hat, noch auf seine Kollegen, die natürlich vom Kollegenverrat in Adelaide wissen und ihn schneiden. Die Patronenhülse, die Hirsch eines Tages in seinem Briefkasten findet, darf er durchaus als Drohung verstehen.
„Sie halten sich da raus. Das hier ist eine friedliche Gemeinde. Und Sie, Sie sind nur ein Durchreisender.“
Stilsicher beschreibt Disher ein trostloses Milieu, das so öde und trist ist wie der rote Sand, in dem es aufgebaut wurde. Tiverton hat absolut nichts zu bieten und wäre nicht Hirsch vor Ort, würden sogar zwei mysteriöse Todesfälle achselzuckend unter den Teppich gekehrt. Disher verzichtet in seinem Krimi auf große Actionszenen und Schießereien, wenn es auch manchmal brenzlig wird für seinen Ermittler. Brutal ist das Buch zuweilen trotzdem. Besonders wer empfindlich auf die Beschreibung sexualisierter Gewalt reagiert, sollte die Finger von dieser Geschichte lassen.
Trotz öder Kulisse mangelt es Disher aber nicht an Themen. Machtmissbrauch, Gewalterfahrung in und außerhalb der Familie, Rassismus, Korruption und Betrug – das vermeintlich ruhige Outback und seine zähen, verstockten Bewohner haben so einiges an Boshaftigkeit und Grausamkeit zu bieten. Hinter der ohnehin maroden Fassaden der einfachen Farmhäuser verbergen sich ein paar ganz schöne fiese Charaktere. Disher beschreibt sie in einem knappen, präzisen, schnörkellosen Stil. Sein Protagonist ist dabei durch und durch der good guy. Er ist nett zur älteren Nachbarin, verständnisvoll mit herumalbernden Kindern und übertritt die Grenzen nur, wo es der Allgemeinheit dient. Manchmal nervt es fast schon, wie loyal und integer Hirsch sich verhält. Allerdings hat er auch erstaunlich wenig Selbstmitleid, was eine nette Abwechslung zum üblichen Einsamer Wolf-Ermittler ist.
Garry Disher: Bitter Wash Road. Im Taschenbuch erschienen bei Metro/Unionverlag 2017. Übersetzt aus dem Englischen von Peter Torberg. 352 Seiten. Originalausgabe unter gleichem Titel lieferbar bei Soho Crime.
Das Zitat stammt von S. 197.