Bremen liest – die erste Bremer Literaturnacht

Bremen ist jetzt sicher nicht der erste Ort, der einem als literarische Hochburg einfallen würde. Tatsächlich hat die Stadt weder berühmte Autoren noch große Verlage aufzuweisen, wenn man mal von Sven Regener absieht. Das hält die vorhandene literarische Szene aber nicht davon ab, immer wieder spannende Projekte auf die Beine zu stellen.

Nun haben das Literaturkontor Bremen das Verlagskontors Wellenschlag die erste Literaturnacht veranstaltet. In 14 zumeist innenstadtnahen Buchhandlungen und Verlagshäusern traten 40 verschiedene AutorInnen aus der Region auf, die in Lesungen ihre Texte vorstellten. Die einzelnen Veranstaltungen waren dabei jeweils so kurz gehalten, dass man zwischendrin den Ort wechseln konnte, um möglichst viele interessante AutorInnen erleben zu können. Bleiben war natürlich auch erlaubt und der Eintritt zu allem kostenlos. Umso netter, dass es noch dazu Getränke aufs Haus gab. Zumindest in den beiden Häusern die ich besucht habe, weiter kamen wir nämlich gar nicht.

Unser Abend begann in der Buchhandlung Sieglin, wo Béatrice Hecht-El Minshawi Auszüge aus ihrem bei Springer erschienen Buch Muslime in Beruf und Alltag las. Sie folgte dabei dem Leitgedanken, dass Menschen muslimischen Glaubens schon lange fester Bestandteil der deutschen Gesellschaft sind und versucht, Unwissen und Missverständnisse im alltäglichen Umgang abzubauen. Wären wir bei Sieglin geblieben, hätten wir noch Gedichte über das Meer von Sabine van Lessen hören können und eine satirische Lesung des Liedermachers Hans-Martin Sänger. Uns zog es aber ein paar Straßen weiter zum Text- und Verlagskontor Wellenschlag, dessen Mitarbeiterinnen ja auch maßgeblich an der Organisation des Abends beteiligt waren.

 

Dort lasen den ganzen Abend über verschiedene AutorInnen etwa 15 Minuten aus ihren Texten. Wer zu erwarten war, wurde nirgends angekündigt. Erst im Moment ihres Auftretens wurden die Lesenden vorgestellt, so dass man bis zum ersten Satz nicht wusste, was einen erwartet. Einige von ihnen hatten schon Texte veröffentlicht, in eigenen Büchern oder Sammelpublikationen, ich selbst kannte allerdings keinen der Namen. Das war eine sehr schöne Abwechslung zu den Lesungen, die man sonst ja eher nach AutorIn aussucht und wo man in vielen Fällen zumindest einige der Texte ja auch schon kennt. Wir kamen an, als gerade ein Fantasy-Autor seine Lesung begann, dicht gefolgt von einer Lesung der Bremer Autorin Frauke Röhrs, die sehr souverän einen unterhaltsamen wie erschreckenden Text über einen verkehrsberuhigten Sommer der Superlative im Bremen des Jahres 2031 vortrug. Ihr folgte Ernesto Salazar Jimenez, der so aufgeregt war, dass ich um seine Gesundheit besorgt war. Völlig umsonst, wie sich herausstellte, seine kurzen Texte waren nicht nur sehr gut sondern fanden auch großen Anklang. Nach seiner Lesung hätten wir schon wieder los gemusst, hätten wir noch an einem dritten Ort den 21:00 Uhr-Programmpunkt erwischen wollen. Wir entschieden uns dagegen und blieben im Verlagskontor. Der folgende Autor René Paul Niemann hat nicht nur verschiedene Publikationen vorzuweisen, sondern hatte merklich auch Lesungs-Routine. Er las zwei in Bremen spielende Kurzgeschichten, die beide auf ihre Art gruselig waren. Kurz danach endete für uns der Abend mit zwei ebenfalls sehr guten und souverän vorgetragenen Erzählungen von Bernhard W. Rahe, in denen er sich unter anderem mit einem „Stadtsammler“ beschäftigte. Zumindest meine Aufnahmebereitschaft reichte danach nur noch für eine halbe Pizza an der Sielwallkreuzung.

Bremen hat gestern unter Beweis gestellt, dass die literarische Szene vielfältig und qualitativ hochwertig ist. An diesem Abend habe ich viele AutorInnen mit ihren Texten kennengelernt, auf die ich sonst mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht aufmerksam geworden wäre. Die Möglichkeit, aus einem so großen Programm wählen und den Ort immer wieder wechseln zu können, hat mich sehr überzeugt und die Qualität des Angebots hat mich, wie ich zugeben muss, positiv überrascht. Zumindest die beiden Orte die ich gesehen habe, waren sehr gut besucht und ich hoffe, an den anderen Stellen war das auch der Fall. Und natürlich hoffe ich auf eine zweite Literaturnacht im nächsten Jahr. Herzlichen Dank an alle, die diesen Abend möglich gemacht haben!

3 Gedanken zu “Bremen liest – die erste Bremer Literaturnacht

  1. andrea 9. September 2018 / 12:59

    Ich finde Literaturnächste immer klasse. Wenn man von einer Lesung zur nächsten schlendern kann und viele verschiedene Autoren kennenlernt. Schöner Bericht!

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    • louieloire 25. September 2018 / 20:51

      Schöner Artikel, der einen guten Eindruck vermittelt. Ich selbst war bei den Buchhandlungen Storm & Sattler bei Lesungen von Klaus Johannes Thies, Karsten Redmann und Nikolas Hoppe und fand es auch ganz wunderbar. Bin überzeugt, dass es im kommenden Jahr eine Zweite Bremer Literaturnacht geben wird. Übrigens: Falls du die jüngere Bremer Literaturszene ein wenig näher kennenlernen möchtest, könnte – falls du sie noch nicht kennst – die MiniLit-Reihe des Bremer Literaturkontors interessant für dich sein.
      http://www.literaturkontor-bremen.de/aktuell/publikationen/

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      • Marion 25. September 2018 / 21:17

        Bei Storm hätte ich am Anfang des Abends auch gerne vorbeigeschaut, man kann ja aber leider immer nur an einem Ort sein.
        Vielen Dank für den MiniLit-Hinweis. Bisher bin ich noch in keiner Buchhandlung darüber gestolpert, werde jetzt aber mal die Augen offen halten. Es klingt auf jeden Fall sehr interessant.

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