Mit dem Untertitel Wie ich mich ins Italienische verliebte erzählt Jhumpa Lahiri in diesem Buch von ihrer Leidenschaft für und ihrem Weg zum Italienischen. Die Begeisterung für diese Sprache entdeckt sie schon früh bei einer Studienreise nach Florenz. In ihrem Leben hat sie keinerlei Verwendung fürs Italienische, dennoch beginnt sie es zu lernen, zunächst mit einem Selbstlernkurs und mäßigem Erfolg. Viele Jahre später unternimmt sie einen weit radikaleren Schritt und zieht mit ihrer Familie für drei Jahre nach Rom. Zu diesem Zeitpunkt ist sie bereits eine gefeierte Schriftstellerin und hat mit The Lowland einen riesigen Erfolg gefeiert. Sie zieht in die Via Giulia, die in der römischen Altstadt liegt (falls das jemand wissen möchte: sie beginnt knapp südlich der Ponte Vittorio Emanuele II und verläuft dann, sich dem Tiber stetig annähernd, bis zur Ponte Sisto) und stürzt sich kopfüber in das Sprachabenteuer.
Sie liest nur noch auf Italienisch, kämpft sich mühsam durch Alltagssituationen und nimmt fleißig Unterricht. Plötzlich scheint es ihr auch ganz natürlich, in der neuen Sprache zu schreiben. Erst nur heimlich in einem Tagebuch, das sie niemandem zeigt, dann aber auch in Erzählungen und kleinen Texten, die sie veröffentlicht, auch wenn die Anzahl der Korrekturen sie zunächst deprimiert. Beinahe alle Texte, die in diesem Buch abgedruckt sind, sind zuvor in der Zeitung „Internazionale“ veröffentlicht worden. Auch bei öffentlichen Veranstaltungen wie Literaturfestivals traut sie sich langsam, Interviews auf Italienisch zu führen. Wenn sie längere Zeit in den USA verbringen muss, vermisst sie ihre neue Sprache. Sie stößt aber auch an ihre Grenzen. Nicht nur macht sie weiterhin Fehler, sie erfährt auch immer wieder, dass Menschen ihr die Sprache nicht zutrauen, weil sie schlicht nicht europäisch aussieht. Ihr Mann heißt Alberto und sieht europäischer aus, spricht aber deutlich schlechteres Italienisch. Dennoch kommt es immer wieder vor, dass Menschen glauben, er beherrsche die Sprache besser als sie, auch wenn sie seine Fehler deutlich hören müssten.
„Niemand, in keinem Land, hält es für selbstverständlich, dass ich die Sprachen spreche, die Teil von mir sind.“
Für Jhumpa Lahiri ist diese Erfahrung besonders bedeutsam, weil sie ähnliche Erfahrungen bereits in ihren Muttersprachen gemacht hat. Sie ist mit Bengalisch und Englisch aufgewachsen. In den USA geht man manchmal davon aus, sie spreche kein gutes Englisch, und in Kalkutta, der Heimat ihrer Eltern, traut man ihr als Auswanderer-Kind das Bengalische nicht zu. Dass sie nun auch von den Sprechern ihrer Herzens-Sprache Italienisch abgewiesen wird, trifft sie hart. Doch sie gibt nicht auf. Das Italienische will sie nie wieder hergeben, zu sehr hat es ihren Horizont und ihre Ausdrucksmöglichkeiten erweitert. Trotz (oder gerade wegen) der ungewohnten, neuen Sprache fühlt sie sich als Autorin im Italienischen freier.
In anderen Worten ist eine Liebeserklärung an die italienische Sprache und das Land, in dem sie gesprochen wird. Es hinterfragt aber auch die Bedeutung von Herkunft, Heimat und Zugehörigkeit und schildert einen Kampf um Akzeptanz, der vielleicht nie gewonnen werden kann. Ich habe das Buch während einer Rom-Reise gelesen und kann es als Reisebuch nur sehr empfehlen weil es, für mein Empfinden zumindest, in seinem Ton sehr zu dieser Stadt passt.

Jhumpa Lahiri: Mit anderen Worten. Wie ich mich ins Italienische verliebte. Übersetzt von Margit Knapp. Rowohlt 2017. 139 Seiten, € 14,95. Originalausgabe unter dem Titel In altre parole bei Ugo Guanda Editore 2015.
Das Zitat stammt von S. 89
Schön, dass es Dir offenbar gefallen hat! 🙂
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Hat es! Und es ist auch schon weiter gereist
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Schön, das freut mich, reisende Bücher!
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Für mich fast eine Pflichtlektüre, danke für den Tipp!
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Ach, toll, dass es dieses Buch gibt! Ich meine auch, dass jemand schreibt, wie aufregend es sein kann, Dinge mit anderen Wörtern zu benennen als denen aus der Muttersprache. Die Welt öffnet sich gleich nochmal. Danke für den Tipp!!!
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Das finde ich auch immer sehr spannend. Ich lerne gerade (wieder) Spanisch und bin ein weiteres mal beeindruckt, wie anders alles ist.
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