„It was Germany that became the laboratory for what fake foods people could stomach.“
Wie der Untertitel des Buchs schon sagt, ist Bee Wilson in diesem Buch auf den Spuren von verfälschten, gefälschten und schlicht ungenießbaren bis gefährlichen Lebensmitteln.
Die Geschichte beginnt in den 1820ern mit dem jungen deutschen Chemiker Accum, der zu dieser Zeit in London lebte und sein Leben dem Aufdecken von gepanschten Lebensmitteln verschrieben hatte. Nicht, dass es vorher keine gegeben hätte. Es gab nur keine zuverlässigen Methoden, die Verdächtigungen auch tatsächlich zu beweisen. Das änderte sich mit einer Reihe von Tests, die Accum einführte. Nun gab es keine Zweifel mehr – kupfergrüne Gurken, bleirote Käserinde, Schlehdorn-Blätter im Tee. Der Erfindungs-Reichtum schien keine Grenzen zu haben.
In manchen Zeiten war den Menschen auch klar, dass sie nur schlechte Fälschungen zu sich nahmen und der Kaffee aus nichts als Zichorien bestand – man hatte nur eben keine Wahl. Auch dem zu Not- und Kriegszeiten verbreiteten „Ersatz“-Essen widmet Wilson einige Kapitel. Natürlich endeten die Essens-Fälschungen, gewollt oder nicht, nicht mit dem Zweiten Weltkrieg. Wo immer man bei Nahrungsmitteln noch ein kleines bisschen mehr Profit herausholen konnte, wurde und wird gefälscht, gemischt, gepanscht. Stammt das Bio-Ei am Ende doch aus der Legebatterie? Wieviel Kreuzkümmel ist eigentlich in meinem Safran? Ist das wirklich ein Périgord-Trüffel?
Während man sich in Industrieländern vor allem mit solchen Sorgen herumärgert, stehen die Menschen in Entwicklungs- und Schwellenländer oft vor handfesteren Problemen. In vielen Ländern Asiens sind Lebensmittel oft nicht ganz das, was sie zu sein vorgeben und häufig sogar gesundheitsschädigend bis lebensbedrohlich. In Bangladesh liegt die Quote der gefälschten Lebensmittel bei geschätzten 50% – Stichproben lassen sogar deutlich höhere Zahlen vermuten.
Der einzige Ausweg, glaubt Bee Wilson, ist, die Menschen über gutes Essen zu informieren. Sie zu mündigen Verbrauchern zu machen, die verstehen, was sie kaufen und essen. Denn so lange es menschliche Gier gibt, glaubt die Autorin, wird es skrupellose Versuche geben, auf dem gigantischen Lebensmittel-Markt noch ein kleines bisschen mehr zu verdienen, egal, wie viele Gesetze und Richtlinien es gibt.
Wie auch in Am Beispiel der Gabel merkt man, dass Wilson Essen und vor allem gutes Essen am Herzen liegt. Es ist ihr ein Anliegen, dass Menschen zwischen gutem und schlechtem Wein unterscheiden können, dass niemand zu viel für Lebensmittel ausgibt, die von minderer Qualität sind und vor allem, dass niemand an minderwertigem Essen gesundheitlichen Schaden nimmt. Aber sie zwingt dem Leser diese Meinung nicht auf.
Der Fokus ihrer Betrachtungen liegt deutlich auf den USA und Großbritannien. Mit ihren Quellen ist sie sehr exakt und sehr ausführlich in einigen Aspekten – manchmal sogar zu ausführlich. Die 40 Seiten über Accum sind sicher nicht für alle LeserInnen interessant und auch bei einigen anderen Themen geht sie (zu) sehr ins Detail. Der größte Teil des Buchs aber ist ein kurzweiliger Ausflug in die tiefsten Tiefen der Lebensmittelproduktion, der einen oft erstaunt zurücklässt angesichts der Skrupellosigkeit, die hinter einigen Fälschungen steckt.
Bee Wilson: Swindled. From Poison Sweets to Counterfeit Coffee – The Dark History of the Food Cheats. 370 Seiten, ca. € 13,50. John Murray 2008.