Josef Kaplan wird 1910 in Prag als Mitglied einer jüdischen Familie geboren. Seine geliebte Mutter stirbt früh an einer Lungenentzündung, das Leben mit dem hilflosen Vater Eduard, einem Arzt, der aber auch den Tod seiner Frau nicht verhindern konnte, gestaltet sich recht kühl und schwierig. Wie es von ihm erwartet wird, schreibt Josef sich an der medizinischen Fakultät ein. Seine wahre Liebe gilt aber nicht der Wissenschaft sondern dem Sozialismus. Schnell gerät er durch seine Forderungen nach einer besseren, gerechteren Gesellschaft in Konflikt mit seinen Professoren und der Vater fürchtet Ärger in der jüdischen Gemeinde. Unter dem Vorwand, dass dort eine bessere Ausbildung möglich sei, schickt er seinen Sohn nach Paris.
Dort geht sein Leben erst richtig los. Er entdeckt den Tango für sich, besonders Gardel hat es ihm angetan. Josef entpuppt sich als begnadeter Tänzer und die Mädchen in den Tanzlokalen liegen ihm zu Füßen. Dauerhaft interessiert ist er nicht an ihnen und noch dazu kann er sich Gesichter furchtbar schlecht merken, so dass er eine Spur gebrochener Herzen durchs Pariser Nachtleben zieht. Als der Zweite Weltkrieg drohend seine Schatten vorauswirft, erhält er das Angebot, in Algier am Institut Pasteur zu forschen. Er will lieber zurück zu seinem Vater reisen, um den er sich in diesen gefährlichen Zeiten sorgt. Doch Eduard rät ihm zur Reise nach Nordafrika, die Situation in Europa sei letzlich halb so wild und werde sich schnell wieder beruhigen.
Dort lernt er Maurice kennen und seine es-ist-kompliziert-Freundin Christine, eine Schauspielerin, sowie deren Kollegin Nelly, mit der er bald ebenfalls eine Beziehung eingeht. Anfang der 40er wird es für ihn als Juden auch in Algerien gefährlich und sein Vorgesetzter schickt ihn in die tiefste Provinz, wo er gegen die Ausbreitung der Malaria kämpfen soll. Zeit zum Abschied nehmen ist nicht mehr, von jetzt auf gleich muss er die Stadt verlassen.
Als er Jahre später nach Algier zurückkehrt, erfährt er ohne jeden Groll, dass Nelly nicht auf ihn gewartet hat. Er ist nun ohnehin viel mehr an Christine interessiert, mit der nach Kriegsende nach Europa zurückkehren will. Die beiden gehen nach Prag, wo das Glück perfekt scheint, leider aber nur von kurzer Dauer ist.
Nach etlichen turbulenten Jahren wird Josef leitender Arzt in einer abgelegenen Klinik, in der eines Tages ein mysteriöser Patient auftaucht, für den größte Sicherheitsvorkehrungen getroffen werden. Es ist Ernesto Guevara, der nicht nur Josef als Arzt auf Trab hält sondern auch seine mittlerweile erwachsene Tochter.
Und ab da wird das ganze echt merkwürdig. Bis zum Auftauchen des mysteriösen Fremden ist das eine sehr gute, sich schlüssig entwickelnde Geschichte, wenn auch ohne ganz große Höhepunkte, aber eine gute Geschichte von Freundschaft und Liebe vor dem Panorama eines halben Jahrhunderts. Doch dann kam Che und ich war raus – was macht der da? Braucht diese Geschichte ihn? Kann er nicht wieder gehen und wir machen weiter wo wir waren? Leider geht er nicht, nicht die letzten 160 Seiten. Und diese Che-Geschichte ist nicht mal per se schlecht, wenn auch ein bisschen konstruiert. Aber sie passt halt so gar nicht zum Rest, was leider den Gesamteindruck des Romans massiv stört.
Jean-Michel Guenassia: Eine Liebe in Prag. Insel 2015. 509 Seiten, € 9,99. Deutsche Erstausgabe Insel 2014. Übersetzt von Eva Moldenhauer. Originalausgabe: La vie revee D’Ernesto G. Albin Michel 2012.
Nicht gekannt – jetzt schon! Und gelesen wird es erst recht nicht…
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