Ladydi wächst in einem kleinen Dorf im mexikanischen Bundesstaat Guerrero auf. Ihr Name ist eine Rache an Prince Charles und allen untreuen Männern, sie ist benannt nach der betrogenen Prinzessin, stellvertretend für alle Frauen, die betrogen und sitzen gelassen wurden. Männer gibt es fast keine mehr in dem kleinen Dorf, fast alle sind auf der Suche nach Arbeit in die USA geflohen. Ob sie es geschafft haben, weiß man nicht, von vielen hört man nie wieder, oft nur Gerüchte, sie hätten in Amerika jetzt nicht nur einen Job sondern auch eine neue Familie. Zurück bleiben die Frauen und die Drogenbosse, die gefürchtet sind in den Dörfern, wenn sie in ihren schwarzen SUVs kommen und Mädchen entführen. Deswegen versuchen die Mütter, ihre Töchter als Jungen zu verkleiden, schneiden ihnen die Haare kurz und lassen sie weite Kleidung tragen. Und wenn sie schon als Mädchen erkennbar sind, dann müssen sie hässlich sein. Für den Notfall gibt es Erdlöcher, in denen die Mädchen sich verstecken können, wenn man doch nach ihnen sucht. Wer einmal verschwunden ist, kommt nicht wieder. Nur ein Mädchen hat es geschafft, ihren Entführern zu entkommen. Doch keiner weiß wie, denn sie spricht nicht darüber, spricht über gar nichts mehr während sie nur auf ihrem Bett sitzt und ins Leere starrt.
Die Region ist fest in der Hand der Drogenkartelle, die dort Mohn anbauen. Die Regierung geht dagegen vor und lässt mit Flugzeugen Pestizide verteilen um die Felder zu zerstören. Doch die Piloten sind oft bestochen und werfen ihre giftige Fracht lieber irgendwo anders, oft über den Dörfern ab. Viele der Mädchen leiden unter Atemwegsproblemen und tränenden Augen.
Endlich scheint Ladydi einen Ausweg aus diesem trostlosen Leben gefunden zu haben – sie bekommt eine Stelle als Hausmädchen bei einer reichen Familie in Acapulco. Der Mann, der ihr die Stelle verschafft hat, bittet sie um einen kleinen Gefallen. Natürlich geht es, wie fast alles in Ladydis Leben, um Drogen. Und natürlich geht der Ärger da erst richtig los.
Die Autorin hat lange Zeit in Mexiko mit Recherchen verbracht. Die Geschichte von Ladydi ist fiktiv, aber nah dran an dem, was Clement in Mexiko erlebt hat. Der Erzählton ist sachlich, schildert drastisch und ohne Pathos. Der nüchterne Blick auf die Ereignisse verschärft den Eindruck der hoffnungslosen Situation. Unbedingt lesenswert!
Mehr Infos zu den Hintergründen und eine Leseprobe findet man bei Suhrkamp, die sich die Mühe gemacht haben, einen eigenen Folder zu prodzuieren.
Jennifer Clement: Gebete für die Vermissten. Suhrkamp 2014. € 19,95, 228 Seiten. Übersetzt von Nicolai von Schweder-Schreiner. Originalausgabe: Prayers for the Stolen. Hogarth 2014.