Die letzten Tage des Zweiten Weltkriegs, beginnend im April 1945, werden in diesem Roman in einer bemerkenswerten Unmittelbarkeit erzählt. Erstmals erschienen ist Finale Berlin 1947, wurde damals auch ein Bestseller, danach tat sich bis auf eine Büchergilde-Ausgabe in den 80ern aber erstmal nichts mehr. Dieses Frühjahr kam es wieder und überzeugt noch immer mit seiner Konstruktion. Heinz Rein mischt die Erzählung, die sich an vier Hauptpersonen entlanghangelt, mit Zeitungsausschnitten und Rundfunkmitschriften, die immer neue Durchhalte-Parolen unters deutsche Volk bringen.
Währenddessen folgt der Leser einem kleinen Haufen entschlossener Antifaschisten. Der Deserteuer Joachim Lassehn, schöngeistiger Musikstudent und zu seinem Bedauern auch Soldat, ist auf der Suche nach einem Versteck, gerne bei der Frau, die er vor Jahren im Fronturlaub geheiratet hat. Friedrich Wiegand, seit Jahren unter falschem Namen lebender Gewerkschafter, versucht durch Sabotage seinen Beitrag zum Kriegsende zu leisten und der Arzt Walter Böttcher behandelt die anonymen Untergetauchten, die zu keinem anderen Arzt mehr gehen können. Sie alle treffen zusammen in der unscheinbaren Kneipe von Klose, der ihnen Versteck und Diskussionsplattform bietet. Außerhalb der Kneipe herrscht völliges Chaos, in jeder Nacht fallen Bomben und die Reste der Wehrmacht versuchen, notfalls mit grausamsten Methoden, ein bisschen Ordnung in die Trümmer von Berlin zu bringen.
In Teilen liest der Roman sich wie ein Theaterstück, die Handlungen der Personen und die Beschreibung der Räume wie Regieanweisungen. Das ist gut, weil es dem Text noch ein bisschen mehr Unmittelbarkeit verschafft. Gelegentlich liest es sich aber auch wie das Lehrstück „Antifaschismus für Interessierte und Einsteiger“ einer sozialistischen Laienspielgruppe. Dann, wenn alle um einen Tisch sitzen und einer glücklicherweise zufällig anwesenden und völlig ahnungslosen Person die Rolle der deutschen Arbeiterschaft im Aufstieg des Nationalsozialismus erklären. Oder die Bedeutung der internationalen Solidarität unter allen Arbeitern. Oh, und wo wir hier gerade so nett beisammen sitzen – ich trage zufällig drei Tageszeitungen der vergangen Wochen mit mir herum, ich lese ein paar bemerkenswerte Artikel vor! Ah, genau diese Ausgabe habe ich gerade nicht bei mir. Macht nichts, ich weiß alles noch auswendig! Ja, ich sehe, dass das Haus brennt, ich bringe nur noch rasch diesen Gedanken zu Ende…
Tatsächlich stört das aber nur wenig. Man muss es halt so hinnehmen, Rein hatte offenbar einen Bildungsauftrag. Und dann sind die Betrachtungen und verschiedenen Positionen oft gar nicht so uninteressant. Wenn es gar nicht mehr geht muss man eben schnell mal ein paar Seiten weiterblättern, man sollte den Rest vom Buch aber unbedingt lesen, sonst verpasst man einen wirklich guten Roman über die letzten Tage des Zweiten Weltkriegs.
Heinz Rein: Finale Berlin. Schöffling 2015. € 24,95, 760 Seiten. Erstausgabe: Dietz 1947.