Die schlechten Tage aus dem Ehegelöbnis von Roy und Celestial kommen schneller als erwartet, als Roy wegen einer Tat verurteilt wird, die er nicht begangen hat. Obwohl sie keine Sekunde an der Unschuld ihres Mannes zweifelt, ist Celestial bald mit der Situation überfordert und die Ehe gerät in eine Krise. Packend erzählt Jones von einem rassistischen Justizsystem und von der Vielfalt der Liebe.

Roy und Celestial sind gerade ein Jahr verheiratet, als ihre Ehe auf eine harte Probe gestellt wird. Bei einem Familienbesuch in Louisiana wird Roy eines Verbrechens beschuldigt, das er nicht begangen hat, und zu zwölf Jahren Haft verurteilt. Celestial und Roys Familie tun alles, was man wahrscheinlich in so einem Fall macht – sie engagieren einen Anwalt, der Gerechtigkeit für Roy erstreiten soll, sie schicken Geld, damit Roy sich im Gefängnis mehr als das allernötigste leisten kann, sie schreiben und besuchen ihn. Für Celestial bedeutet das jedes Mal zehn Stunden Fahrt, denn ihr Lebensmittelpunkt ist in Atlanta und Roy ist immer noch in Louisiana. Doch ihr gemeinsames Haus und ihre Kunst, mit der sie gerade erfolgreich wird, will sie nicht aufgeben und alle sind sich sicher, dass der Justizskandal bald aufgedeckt wird und Roy als freier, unschuldiger Mann nach Hause kommen wird.

Doch die Mühlen der Justiz mahlen langsam. Roy und Celestial halten vor allem per Brief Kontakt, die Missverständnisse werden häufiger, die Besuche rarer und eines Tages realisiert Celestial, dass sie jetzt länger die Ehefrau eines Häftlings war als die Ehefrau eines freien Mannes und dass sie das nicht weitere neun Jahre sein will. Sie will nicht regelmäßig nach Louisiana fahren und in einem unpersönlichen Besuchszimmer einem Mann gegenüber sitzen, in dessen Leben nichts passiert, während in ihrem alles passieren könnte.

Falls sie auf Verständnis in ihrem Umfeld gehofft hat, dann vergebens. Celestial lernt in dieser Phase ihres Lebens, dass das Private politisch ist oder eben auch das Politische privat und dass man, erst recht als Schwarze Frau, einen zu Unrecht verurteilten Schwarzen Mann nicht verlässt. Ein Mann, der das Opfer eines rassistischen und vorverurteilenden Rechtssystems geworden ist, darf nicht auch noch das Opfer privater Ungerechtigkeit werden und die „schlechten Tage“ aus dem Ehegelöbnis schließen Haftzeiten eben mit ein.

„You got to work with the god you were given. You also have to work with the love you are given, with all the complications clanging behind it like tins tied to a bridal sedan.“

– S. 103

Tayari Jones hat mit An American Marriage einen beeindruckenden Roman geschrieben, der nur auch von einer Ehe und mehreren Liebesgeschichten erzählt. Sie verknüpft diese sehr privaten Geschichten mit dem großen Ganzen und erzählt, wie der Rassismus in den USA und insbesondere in ihrem Süden Biographien und Chancen verändert und Lebenswege aus der Bahn wirft. Seit Generationen werden die Leben der Familien durch ihre Hautfarbe bestimmt, die Orte, an denen sie leben können, die Berufe, die sie ergreifen können und die Art, wie ihnen Staat und Justiz begegnen. Studien belegen immer wieder eindrucksvoll, dass Schwarze in den USA häufiger inhaftiert werden und öfter und zu längeren Haftstrafen verurteilt werden – und das nicht, weil sie tatsächlich mehr oder härtere Verbrechen begehen. Den Männern in diesem Roman ist dieser Umstand sehr bewusst, doch sich nichts zu Schulden kommen zu lassen ist offenbar auch keine ausreichende Lösung, zumindest nicht im Fall von Roy. Ein gesetztes Leben ist auch kein Ausweg.

Jones thematisiert diesen Themenkomplex subtil und ohne zu belehren – die alltägliche Diskriminierung muss nicht ausbuchstabiert werden, denn sie ist immer da, ist der Rhythmus nach dem alle Figuren in diesem Roman durchs Leben gehen und der sich über die Generationen nur marginal verändert hat. Verpackt ist das ganze in verschiedene Liebesgeschichten, die berührend sind, ohne kitschig zu werden. In ihnen findet sich Loyalität, Zärtlichkeit und Aufopferungsbereitschaft, aber auch Zweifel und Verletzungen. Negative Emotionen, Zweifel und Enttäuschungen haben ihren Platz und ihre Berechtigung in den Beziehungen in diesem Roman, ohne dass sie deshalb an Wert verlieren.

An American Marriage ist ein sehr gelungener Roman, der auf beeindruckende Weise von den politischen Problemen der Vereinigten Staaten und der Resilienz ihrer Menschen erzählt.


Tayari Jones: An American Marriage.
One World Publications 2018, 320 Seiten.

978-1-78607-516-1

Eine deutsche Übersetzung von Britt Somann-Jung ist unter dem Titel In guten wie in schlechten Tagen bei Arche erschienen.


Mit diesem Roman gewann Tayari Jones 2019 den „Women’s Prize for Fiction“. Dieser Beitrag ist Teil des gleichnamigen Leseprojekts.


Eine Antwort zu „Ehe und Gesetz – „An American Marriage“ von Tayari Jones”.

  1. Avatar von Miss Booleana

    Klingt echt beeindruckend! Vielen Dank fürs Vorstellen

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