Blumen pflanzen auf dem Balkon, Urlaub auf dem Bauernhof, ein Sommer in Italien: In solchen Schlaglichtern beleuchtet Teresa die Tage ihrer Kindheit. Das Glück ist dabei höchst fragil. Teresas Vater ist Alkoholiker, seine Launen unberechenbar und die nächste Eskalation nie weit. Auf Zehenspitzen schleichen Teresa, ihr Bruder und ihre Mutter umher, immer darauf bedacht, den Patriarchen nicht zu verärgern. Dabei kann er auch anders sein, bemüht und interessiert. Dann bringt er Teresa das Fahrradfahren bei und kümmert sich um einen Surfkurs für sie. Doch gerade im Urlaub, wenn die Familie den ganzen Tag gemeinsam verbringt, ist die Stimmung fast durchweg angespannt. Selten lässt der Vater seine Wut an den Kindern aus, zumindest, solange sie noch klein sind. Es ist vor allem seine Frau, die seinen ungezügelten Zorn zu spüren bekommt. Doch auch das entgeht den Kindern natürlich nicht. Je älter sie wird, umso mehr geht das Verhalten Teresa gegen den Strich. Sie beginnt, den Vater absichtlich zu provozieren, die Situation auf die Spitze zu treiben.

Teresas Erinnerungen sind sehr knapp und skizzenhaft, dabei aber stark genug, um das äußerst schwierige Verhältnis zum Vater mit aller Wucht zu schildern. Ihre Hilflosigkeit, ihre Wut und ihre Angst stechen in all den kurzen Sequenzen scharf hervor. Im Rückblick versucht die Erzählerin, ihre Erinnerungen zu sortieren, aus lauter Bruchstücken ein komplettes Bild des Vaters zusammenzusetzen, zu dem sie nie Nähe aufbauen konnte. Denn so sehr sie in fürchtet, hassen kann sie ihn nicht, aufgeben will sie ihn nicht. Auch als erwachsene Frau hält sie den Kontakt aufrecht, stellt ihm ihre Freunde vor, sorgt sich um ihn, dessen Alkoholproblem immer schlimmer wird. Die Mutter ist da schon längst gegangen, der alternde Patriarch allein im Familienheim zurückgeblieben.
„Ich versuche, die Situationen zu ordnen, sie zusammenzuhalten, in ihnen etwas zu finden, was über den konkreten Moment hinausweist.“
In diesen Sommern ist Janina Hechts Debütroman. Sie erzählt ihn linear, lässt aber die einzelnen Szenen recht unverbunden nebeneinander stehen, jede für sich wirken. Was die Geschichte zusammenhält sind die Menschen, die im Leben der Erzählerin immer wieder auftauchen und für eine Kontinuität sorgen. Mit dieser Erzählweise rücken die biographischen Details in den Hintergrund und im Fokus steht das Erleben der Protagonistin, das umso stärker wirkt. Vorsichtig lotet Teresa aus, wie weit sie in ihren Erinnerungen gehen kann, wieviel Hässliches sie auslassen kann, bevor sie eine Lüge werden. Hecht verzichtet in ihrem Roman fast gänzlich auf brutale Darstellung der Gewalterfahrungen und konzentriert sich auf das, was sie auslösen, wie sie den Weg ihrer Erzählerin beeinflussen. Vor allem aber gelingt es Hecht, den inneren Konflikt Teresas dazustellen: Wie es ihr nicht gelingt, den gewalttätigen Mann zu verurteilen oder gar zu hassen, sondern immer versucht, in ihm einen Vater zu finden. Ein beeindruckender erster Roman!
Janina Hecht: In diesen Sommern. C.H. Beck 2021. 175 Seiten.
Das Zitat stammt von S. 25.
Ich danke dem Verlag für das Rezensionsexemplar.
Ich habe das Gefühl, Romane kommen in Wellen… „Vati“, „Vater und Ich“ … und jetzt gleich noch ein „Tochter erinnert sich an/ sucht Verbindung zu Vater“-Roman.
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Unbestreitbar kommt Literatur in Wellen, oft genug auch von den Verlagen geplant. Die Vater-Häufung ist mir auch aufgefallen, allerdings ist das ein eigentlich so offensichtliches Thema, dass ich mich frage, ob ich nur jetzt so wahrnehme, weil in diesem Jahr die Vater-Romane so präsent sind. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass es in jedem Jahr zehn Vater-Romane gibt, die einfach unter meinem Radar bleiben.
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wenn gleich 2, die sogar den Titel tragen, auf der Buchpreis-Longlist stehen…? Nee, da muss schon irgendwo ein Nest sein.
Warum planen Verlage solche Wellen? Graben die sich dann nicht gegenseitig das Wasser ab?
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Ach, ich glaube nicht. Wenn irgendwo ein Trend ist, dann ist da erstmal genug für alle.
Beim ersten Mikrobusiness an einem idyllischen Ort (Die kleine Bäckerei am Strandweg) dachte ich auch, es bliebe dabei, aber der Markt hat sogar Raum für „Die kleine Taschennäherei zum Glück“. Und dazwischen passen viele, viele Väter.
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Im Zweifel lässt sich auch einfach über den Titel auf den Hype aufspringen. zB Star Wars: „Meines Vaters schwerer Atem“ 😀
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