Kurz bevor 1994 endlich ein dauerhafter Waffenstillstand in Nordirland erreicht werden kann, reist Cate von London in ihre Heimat nahe Belfast. Normalerweise macht sie das nur einmal im Jahr, immer im Spätsommer, doch nun ist sie schwanger und möchte diese Neuigkeit persönlich überbringen. Sie ahnt, dass die frohen Nachrichten nicht so richtig gut ankommen werden, denn mit dem Vater des Kindes hat sie aktuell keine Beziehung und will auch zukünftig keine haben. Ihrer Mutter Emily wird das nicht gefallen.
Cates Mutter und ihre Schwestern Helen und Sally sind in Nordirland geblieben. Sally ist jetzt Lehrerin an der Grundschule im Heimatdorf der Familie, Helen verteidigt als Anwältin in Belfast gerade einen katholischen Jungen, der einen protestantischen Taxifahrer erschossen hat. Der Vater der Familie ist selbst Opfer des Konflikts geworden. Er und seine Brüder haben sich immer auf die Seiten der Republikaner geschlagen, waren dabei aber sehr unterschiedlich radikal in ihren Forderungen. Mit seinem Tod gilt es vielen als bewiesen, dass der Vater der Mädchen ein Terrorist war, der es nicht anders verdient hatte.
Deirdre Madden erzählt von einer Woche, die Cate bei ihrer Mutter und ihren Schwestern verbringt. Cate, die früher mal Kate hieß, das aber zu irisch fand. Die aus Nordirland geflohen ist, weil sie die ständige Bedrohung und Angst nicht mehr aushalten konnte, erst recht nach dem Tod des Vaters. Ihre Schwestern gehen ganz anders damit um. Sie sehen es als ihre Pflicht als Katholikinnen und Republikanerinnen, im Land zu bleiben und die eigene Seite zu unterstützen, als Lehrerin und Anwältin. An ein Ende der Konflikte aber glauben sie auch 1994 noch nicht.
„Nobody could fathom the suffering the Troubles have brought people, and all the terrible things that had happened.“
Der Nordirlandkonflikt ist das bestimmende Thema des Romans, der familiäre Aspekt steht erst an zweiter Stelle. Madden schafft eine beklemmende Atmosphäre und verdeutlicht, an wie vielen ganz alltäglichen Stellen der Konflikt tiefe Gräben zwischen einstigen Freunden, Geschäftspartnern und Nachbarn zog. Eine sichere, neutrale Position gibt es nicht, auch nicht für die, die sich gar nicht für die eigene Religion oder die der anderen interessieren. Erschienen nur zwei Jahre nach dem Waffenstillstand zeichnet Maddens Roman ein knappes aber tiefgehendes Porträt der politischen Situation Nordirlands und ihrer Auswirkung auf das Privat- und Familienleben derer, die dort leben.
tl;dr: One By One in the Darkness ist ein recht kurzer Roman, der trotzdem einen tiefergehenden Einblick in die Konflikte Nordirlands gibt, die noch brandaktuell waren, als der Roman 1996 das erste mal erschien.
Deirdre Madden: One By One in the Darkness. Gelesen in der Ausgabe faber and faber 1996. 181 Seiten. Eine deutsche Übersetzung ist nicht erschienen.
Das Zitat stammt von S. 127.
1997 war Madden mit diesem Roman das erste Mal auf der Shortlist für den Orange Prize for Fiction. Dieser Beitrag ist Teil des Leseprojekts Women’s Prize for Fiction.