In schwierigen Situationen kann die Zuversicht einem dabei helfen, nicht die Hoffnung zu verlieren. Im Gegensatz zum optimistischen Denken verlangt diese Einstellung einem nicht ab, immer und überall auch die guten Seiten zu sehen, sondern schwierige Situationen als solche zu akzeptieren, aber nicht die Flinte ins Korn zu werfen. Und die Idee ist ja auch gut: Statt ewig zu lamentieren, dass früher alles besser war und einem dauernd alles genommen wird, könnte man ja auch mal davon ausgehen, dass Veränderungen nicht das Ende sind und im Gegenteil sogar eine Chance bieten können.
In seinem Buch über Zuversicht untersucht Schnabel diese innere Einstellung und illustriert anhand mehr oder weniger prominenter Beispiele, wie weit sie einen tragen kann. Diese Beispiele sind meistens ziemlich extrem: Stephen Hawking, bei dem schon sehr früh eine unheilbare Krankheit diagnostiziert wurde oder Juliane Koepcke, die mit siebzehn Jahren als einzige Person einen Flugzeugabsturz überlebte und sich nach tagelangem Marsch durch den Dschungel retten konnte. Es sind verschiedene Biographien, die Schnabel als inspirierende Beispiele nutzt, ihnen gemein ist aber, dass die Ausgangslage wirklich sehr düster und das durch Zuversicht Erreichte sehr groß ist. Dass die Zuversicht auch kleine Sachen kann, geht da fast unter. Schnabel zitiert aus einigen Studien, die untersuchen, inwieweit Zuversicht beispielsweise Heilungsprozesse positiv beeinflussen kann. Menschen, die für die Zeit nach einer schweren OP große Pläne haben, haben offenbar wirklich bessere Chancen auf Heilung als Menschen, die sich kaum etwas von dem Eingriff erhoffen.
„Es braucht die Lebensenergie der Zuversicht, die der noch unfertigen Zukunft ein gewisses Vertrauen entgegenbringt.“
Nun kann man von einem Buch über die Zuversicht als solche nicht erwarten, dass es ein praktischer Ratgeber für schwierige Lebenslagen ist. Und sicher ist es auch irgendwie meine Schuld, dass ich mit inspirierenden Lebensgeschichten überhaupt nichts anfangen kann. Ich finde ja die praktische Umsetzbarkeit des Konzepts weit interessanter. Denn die Wahrscheinlichkeit, dass ich oder eine mir nahestehende Person irgendwann mal schwer erkrankt, dürfte so bei konventionell geschätzten 85% liegen. Dass ich mal als einzige Person einen Flugzeugabsturz über dem Dschungel überlebe hingegen so bei 0,02%. Aber das ist ja auch durch meinen Lifestyle bedingt.
Schwierig fand ich auch die nicht ganz saubere Abgrenzung des Begriffs und was genau die Zuversicht von Mut abgrenzt. Auch schien mir bei einigen Geschichten nicht unbedingt die Zuversicht entscheidend sondern vielleicht einfach nur das Glück, zum richtigen Zeitpunkt die richtige Idee gehabt zu haben. Die Entwickler von extrem erfolgreichen Onlineportalen und mäßig erfolgreichen Websites gehen ja nicht zwingend mit einer anderen Einstellung an die Sache heran. Vielleicht haben sie nur unterschiedlich gute Ideen oder Ideen, die unterschiedlich gut zum Zeitpunkt passen.
Richtig ärgerlich allerdings war die Passage, in der Schnabel sagt, man hätte überall die Wahl: „Beruf, Lebensführung, politischer oder sexueller Orientierung“ (S. 162/223) und müssen deshalb auch die Verantwortung dafür übernehmen. Eigentlich dachte ich, wir hätten uns langsam mal darauf geeinigt, dass man sich die sexuelle Orientierung eben nicht aussucht. Ebenso sind sicher auch Beruf und Lebensführung nicht allein das Ergebnis der eigenen Wahl, so frei man da in Deutschland mittlerweile auch sein mag. Wobei die Zuversicht da helfen mag. Generell aber hätte mehr wissenschaftlich Fundiertes in diesem Buch stehen dürfen und weniger von Anekdoten untermauerte Vermutungen und Überlegungen.
Am Ende war mir nicht ganz klar, was Schnabel mit seinem Buch wollte und worauf er hinauswollte. Den verschiedenen Geschichten von Zuversicht fehlt dann doch der gemeinsame Fokus und erst recht die Anwendbarkeit in der Praxis. Dafür aber gibt es ganz zum Schluss immerhin noch zehn Tipps. Einer davon: nicht so viel aufs Smartphone gucken.
Ulrich Schnabel: Zuversicht. Die Kraft der inneren Freiheit und warum sie heute wichtiger ist denn je. Gelesen als eBook mit 223 Seiten. Lieferbar auch als Hardcover mit 256 Seiten. Blessing 2018.
Das Zitat stammt von S. 88/223.
Ich danke für dem Verlag für das Leseexemplar, das mir zur Verfügung gestellt wurde.