Benjamin wächst mit seinen Brüdern Ikenna, Boja und Obembe in Akure auf, einer Stadt im Süden Nigerias. Ben ist neun Jahre alt, als sein Vater 1996 verkündet, er werde von nun an im weit entfernten Yola leben. Seine Arbeit bei der Nationalbank lässt ihm keine andere Wahl, er will seine Familie aber auch nicht mit in die seiner Meinung nach gefährliche und kriminelle Stadt nehmen. Er verlässt sich darauf, dass seine Söhne weiterhin ihre Ziele verfolgen, denn er hat ehrgeizige Pläne mit ihnen, sie sollen Ärzte, Anwälte und Piloten werden.
Stattdessen werden sie Fischer. Denn sobald der Vater die Stadt verlässt, weichen die Strukturen der Familie auf. Die Mutter arbeitet fast den ganzen Tag und so bleiben die Bücher bald im Regal, stattdessen wollen die Jungen Fußball spielen. Doch ihre streberhafte Abwesenheit von den Bolzplätzen in den letzten Jahren hat sie zu Außenseitern gemacht, die von den Nachbarjungen nicht mehr akzeptiert werden. Stattdessen schleichen sie sich zum Ufer des Omi-Ala, des dunklen Flusses, der in der Nähe ihres Hauses fließt. Das ist streng verboten, denn dunkle Legenden ranken sich um den Fluss, auf dem ein Fluch zu liegen scheint. Die Jungen beginnen zu angeln um sich die Zeit zu vertreiben und in der Hoffnung auf einen großen Fang, den sie auf dem Markt zu Geld machen können. Das Anglerglück bleibt aus und schließlich überwiegt die Sorge, dass ihr Geheimnis aufgedeckt wird und die Brüder beschließen schon nach wenigen Wochen, ihre Anglerkarriere zu beenden. Doch da scheint der Fluch des dunklen Flusses sie schon ereilt zu haben. Auf ihrem letzten Heimweg vom Fluss treffen sie auf den verrückten Abulu, der in einem alten Bus lebt und die ganze Stadt ungebeten mit dunklen Prophezeiungen versorgt. An diesem Abend hat er es auf Ikenna abgesehen. Er wird ermordet werden, sagt er ihm voraus, von einem seiner Brüder.
Von da an ist nichts wie zuvor. Denn obwohl seine Brüder ihm fortwährend versichern, dass niemand von ihnen jemals in der Lage wäre, ihm auch nur ein Haar zu krümmen, zieht Ikenna sich zurück, wird misstrauisch und aggressiv. Verzweifelt versucht die Mutter den Vater zu erreichen, denn bisher hat er es immer geschafft, seine Söhne zur Vernunft zu bringen. Doch er lässt nichts von sich hören, während die Lage sich immer bedrohlicher zuspitzt.
Obioma zeichnet ein überzeugendes und lebendiges Bild Nigerias und thematisiert dabei auch die politische und sprachliche Situation. Die Charaktere und ihre Beziehungen untereinander sind sehr überzeugend dargestellt, der Zerfall der brüderlichen Gemeinschaft zieht einen von der ersten Seite an in den Bann. Ein sehr überzeugendes Debüt, das auf mehr hoffen lässt.
Chigozie Obioma: Der dunkle Fluss. Aufbau 2015. 19,95 €, 313 Seiten. Übersetzt von Nicolai von Schweder-Schreiner. Originalausgabe: The Fishermen. ONE/Pushkin Press 2015.
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