Im Sog des Rückwassers – „Und Nilas sprang“ von Maria Broberg

Maria Brobergs Debüt-Roman Und Nilas sprang hat ein ganz grundlegendes Problem, das nicht im Text liegt, sondern vielmehr im Klappentext und eigentlich auch im Titel. Das Drumherum des Buchs suggeriert, es ginge um einen Jungen, der verschwindet, vermutlich ertrinkt, und als würde dann viele Jahre später in der Aufklärung seiner Verschwindens-Umstände diverse alte Geschichten aufgerollt und Schicksale verknüpft. Das ist nicht, was passiert und wer (zurecht) mit dieser Erwartung an den Roman herangeht, wird in jedem Fall enttäuscht werden.

Eigentlich handelt der Roman nämlich von einem kleinen Dorf in Nordschweden, in dem schon sehr viel mehr passiert, bevor es Nilas überhaupt gibt und in dem sich auch nach seinem Verschwinden die Welt noch dreht, denn Nilas spielt überhaupt keine so große Rolle. Er ist auch noch sehr jung, als er verschwindet und existiert bis dahin vor allem in der Abhängigkeit von seinen Eltern und seinem älteren Halbbruder Håkan. Im schwedischen Original bringt er es vermutlich deshalb auch gar nicht erst auf die Titelseite. Statt des Kriminalfalls, den man fast erwartet, erzählt Broberg eine Familiengeschichte, die weitaus weniger spektakulär, aber keinesfalls schlechter ist.

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Schwer zu tragen – „Reisen mit leichtem Gepäck“ von Tove Jansson

Die Schriftstellerin und Grafikerin Tove Jansson ist in Deutschland und der Welt vor allem wegen ihrer Mumins bekannt und beliebt. Doch auch jenseits der Grenzen des Mumintals hinterließ sie ein abwechslungsreiches schriftstellerisches Werk, das vor allem Erzählungen umfasst. Einige davon finden sich in deutscher Übersetzung im Band Reisen mit leichtem Gepäck.

Um das Reisen an sich geht es dabei nur in wenigen Texten. In der titelgebenden Erzählung trifft man auf einen Reisenden, der seinen Alltag hinter sich gelassen hat, keinerlei Erinnerungen mit sich nimmt und davon träumt, unbeschwert durch die Welt zu treiben. Seine Mitreisenden aber, die auch fern der Heimat verzweifelt an ihren Erinnerungen hängen, machen ihm da einen gehörigen Strich durch die Rechnung. 

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Peter Weiss: Die Ästhetik des Widerstands

Peter Weiss hat viel zu sagen über Die Ästhetik des Widerstands. Er beginnt im Pergamonmuseum in Berlin wo drei Männer den berühmten Altar betrachten. Es sind der für immer namenlos bleibende Erzähler und seine Freund Heilmann und Coppi. Sie alle stammen aus der Arbeiterschicht, sehen es aber als ihr Recht und auch ihre Pflicht, sich zu bilden, besonders in künstlerischen Fragen. Was sie stört an den meisten Kunstwerken ist die Perspektive, denn immer werden die Szenen aus Sicht der Herrschenden und Besitzenden dargestellt, auch wenn es die kleinen und ungebildeten Bildhauer waren, die die kunstvollen Arbeiten schließlich ausführten.

weiss_aesthetikdeswiderstandsDer Erzähler bleibt nicht mehr lange in Berlin. Der Roman beginnt in den 1930er Jahren und seine Eltern, beide tschechischer Herkunft, ziehen es vor, wieder in ihre Heimat zu gehen. Der Erzähler selbst schließt sich den internationalen Brigaden an und zieht in den Spanischen Bürgerkrieg. Von den eigentlichen Kampfhandlungen bekommt er aber nur wenig zu sehen. Er wird dem Arzt Hodann zur Seite gestellt und hilft bei der Versorgung der Verwundeten. Als der Krieg verloren ist, flieht er ins schwedische Exil, wo er bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs bleibt.

Das Buch ist zusammengesetzt aus einzelnen Blöcken, die in der Länge sehr stark variieren und jeweils ein anderes Thema behandeln. Manchen Themen ist nur ein Block gewidmet, andere kehren immer wieder und einige künstlerische Motive tauchen über den ganzen Roman verteilt auf. Es ist auch weit weniger ein unterhaltsamer Roman als eine Reihe von Essays, die durch die Handlung verknüpft werden.Den Erzähler verliert man über einige Passagen fast vollständig, vor allem wenn im dritten Band die Situation in Berlin geschildert wird, der Erzähler aber noch in Schweden ist. Ich war fast erleichtert, als auf einmal wieder ein „ich“ im Text auftauchte. Besonders die Vielzahl der Namen nebst Decknamen macht es einem auch nicht immer leicht, den Überblick über das gesamte Personal zu behalten.

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