Wie die einarmige Schwester das Haus fegt? Gar nicht, deshalb ist sie zu einem Leben ohne Mann und Kind verdammt, anders als ihre brave Schwester, die immer auf die Eltern hört und deshalb keinen Arm verliert. So zumindest will es die Geschichte, die Wilma ihrer Enkelin Lala erzählt, um sie vor Draufgängertum und Abenteuerlust zu warnen. Denn das ist nicht gut für Mädchen.

Für viele ist Barbados ein Paradies. Endlose Sandstrände und kristallklares Wasser locken Jahr für Jahr Massen von Tourist*innen auf die karibische Insel. Hinter der sorglosen Kulisse sieht es natürlich anders aus, für die Figuren in Cherie Jones Debütroman How the One-Armed Sister Sweeps Her House sogar ganz anders. Sie schildert das Leben auf ihrer Heimatinsel aus der Sicht zweier ganz unterschiedlicher Frauen, die auf Barbados vor allem Gewalt erfahren.
Mira Whalen sollte es eigentlich gut gehen. Sie hat sehr vorteilhaft geheiratet und gehört seither zu der Gruppe von Menschen, die sich neben einer Wohnung in London auch noch ein Eigenheim auf Barbados leisten können, in erster Reihe zum Strand. Doch glücklich ist sie trotz aller Privilegien nicht in ihrer Ehe und bevor sie das im gemeinsamen Urlaub noch klären kann, wird ihr Mann während eines Einbruchs getötet. Allein mit ihren Schuldgefühlen verbarrikadiert Mira sich tagelang im schmucken Eigenheim und verbringt die Nächte sicherheitshalber in der neonbeleuchteten Sicherheit des örtlichen Supermarkts.
Ganz in der Nähe, aber in einer ganz anderen Welt lebt Lala in einer ehemaligen Fischerhütte, die noch nicht einmal eine richtige Tür hat. Es ist das Haus ihres Manns Adan, den sie mehr aus Verzweiflung denn aus Liebe geheiratet hat und bei dem sie bleibt, weil sie glaubt, dass sie es woanders auch nicht besser haben wird. Und er ist, aber das weiß keine der beiden, ihre Verbindung zu Mira Whalen, denn er ist es, der Gewalt in ihrer beiden Leben bringt. Adan verdient sein Geld mit diversen illegalen Geschäften, mit Diebstählen und Einbrüchen. Dass er Miras Mann getötet hat, war ein Versehen, eine Situation, in der er die Kontrolle verloren hat. Seine Gewalt gegenüber Lala ist geplant und präzise. Er schlägt mit allem was er finden kann, schubst, tritt, beißt, würgt und mehr als einmal muss Lala um ihr Leben fürchten. Das gilt umso mehr, nachdem das gemeinsame Kind stirbt und Adans größte Sorge ist, dass er deshalb in Schwierigkeiten gerät.
„Of course she did not leave him. What woman leaves a man for something she is likely to suffer at the hands of any another?“
– S. 146
Cherie erzählt eine fast ausschließlich gewaltvolle Geschichte aus dem karibischen Paradies. Die scheint schon in der gesellschaftlichen Struktur des Inselstaats angelegt zu sein – lange war Barbados britische Kolonie und hat noch immer den Beinamen „Little England“. Die Insel wurde zum Privatstand der englischen Upperclass, die das Land nach ihren Vorstellungen umgestalteten, wie immer nicht zum Vorteil derer, die schon da waren. Die Diskrepanz zwischen den Gästen und den Bewohner*innen ist enorm und von einem sehr deutlichen Machtgefälle geprägt. Geld lässt sich hier fast nur im Tourismus verdienen – in Lalas Fall mit aufwendigen Frisuren, die sie am Strand in blonde Haare flicht, in anderen Fällen durch Prostitution, Drogenschäfte oder dem, was man eben so „Eigentumsdelikt“ nennt. Und in vielen Fällen natürlich auch als Haushaltshilfe, Reinigungskraft oder Chauffeur.
Die Gewalt ist in Lalas Leben nichts neues. Sie zieht sich durch ihre gesamte Familiengeschichte, verhindert, dass Lala bei ihrer Mutter aufwachsen kann und lässt sie in dem Glauben, dass es eben so ist, dass Gewalt irgendwie zum Leben dazu gehört. Dennoch träumt sie von einem schöneren Leben in einem fernen Land und versucht, Geld dafür zur Seite zu legen. Denn eigentlich ist Lala stark und mutig und abenteuerlustig, doch nichts davon kann ihr aus der wirtschaftlichen Misere und zu einem anderen Leben verhelfen.
How the One-Armed Sister Sweeps Her House ist eine beeindruckende Geschichte, in der die Dysfunktionalität von Gesellschaften im Schatten des Kolonialismus ebenso geschildert wird, wie die individuelle Gewalt, die Frauen unabhängig von ihrer Herkunft und gesellschaftlichen Verortung erfahren und aushalten. Leicht zu lesen und zu ertragen ist das nicht, aber die Geschichte zieht einen in ihren Bann, verbunden mit der leisen Hoffnung, dass es doch noch einen Ausweg aus dieser sich immer weiter drehenden Spirale geben kann. Leider gerät das Ende des Romans dann etwas abrupt und zu einer Art Showdown, zu einem letzten Gewaltexzess, der in poetischer Gerechtigkeit ein Ausweg sein kann für die, die es verdienen.


