Bunny ist ein Roman, der Begeisterungsstürme ausgelöst hat und viele ratlos aber entzückt zurückgelassen hat. Zwischen den neonpinken Buchdeckeln findet man nur wenig Eindeutiges, viel Blut, ein paar Eingeweide und eine Geschichte, deren Kultstatus sich mir nicht erschlossen hat.

„TikTok made me buy it“ ist ein Slogan, der relativ häufig auftaucht im Kontext mit Bunny, dem zweiten Roman der Autorin Mona Awad. TikTok didn’t make me buy it, weil ich in einer so anderen Bubble unterwegs bin, dass ich erst mit dem jetzt in meiner Bubble durchgehypten Roman Rouge der gleichen Autorin überhaupt auf sie aufmerksam geworden bin. Ich konnte also relativ unvoreingenommen in diesen Roman starten. Klappentext, Rezensionen und begeisterte Blurbs versprechen ein surreales Leseabenteuer mit Horror-Elementen. Wer hier regelmäßig mitliest, weiß, dass ich nicht die Nerven für Horror habe und trotzdem hab ich es gewagt.

Bunny spielt an der Elite-Kunstschule Warren, die in einer Stadt liegt, die Providence sehr ähnlich ist, dem Geburtsort von H. P. Lovecraft, der nicht nur mit Cthulu Klassiker der Horrorliteratur erschaffen hat und auch sonst ein gruseliger Typ war. Samantha Heather Mackay hat die außerordentliche Ehre, dort an einem Literaturkurs teilnehmen zu dürfen. So richtig freuen kann sie sich darüber aber nicht. Die Stadt ist abweisend, gruselig und hässlich, jeden Tag hört man Gerüchte von schrecklichen Verbrechen auf dem Campus, sie lebt in einem Loch und Kontakte hat sie auch fast keine. Stattdessen muss sie die „Bunnys“ ertragen, eine eingeschworene Clique von vier Mädchen, die mit ihr im Literaturkurs sind und sich gegenseitig immer nur Bunny nennen. Noch dazu kommt eine Schreibblockade, wie Samantha sie noch nicht erlebt hat.

Eine Stütze findet sie nur in ihrer wunderbaren Freundin Ava, mit ihrem platinblonden Haar, den ausgeflippten Klamotten und dem Mut, der Samantha fehlt. Die ist aber leider nicht bei ihr im Literaturkurs, wo sie den kichernden popular girls einsam gegenüber sitzt. Samantha ist sich sicher, dass die Mädchen sie hassen und furchtbar und peinlich finden. Umso überraschter ist sie, als sie plötzlich zu einem gemeinsamen Abend eingeladen wird. Damit beginnt eine Episode in ihrem Leben, die andere sich in ihren schlimmsten Albträumen nicht ausmalen können.

„Because you can feel it when you’re walking down the streets beyond the Warren Bubble that this town is a wrong town. Something not quite right about the houses, the trees, the light.“

– S. 5

Naja, so zumindest könnte man es anteasern, aber ehrlich gesagt fand ich es nicht besonders aufregend, obwohl viel Blut und spritzendes Gehirn vorkommt. Das liegt vor allem an den durchgehend platten Charakteren. Die Bunnys sollen Karikaturen des klassischen popular girl sein, sind aber so überzeichnet, dass sie einfach nur ein nerviger, quietschiger Haufen sind. Ein Blurb von Lena Dunham (!) vergleicht diese Geschichte mit Clueless und da wird einem ganz großen Stück Popgeschichte massiv Unrecht getan. Samantha, die ja die Hauptfigur ist und bleibt, hat auch nur eine äußerst dürftige Backstory und wenn sie ein Innenleben hat, behält sie es schön für sich. Sie ist verwirrt, verunsichert und überfordert (das merkt man vor allem daran, dass sie ihre Haare trägt wie jedes Goth Girl um die Jahrtausendwende), aber in diesen knietiefen Gewässern endet die emotionale Tiefe auch. Ich bin gar keine Identifikationsleserin, aber wenn es einem wirklich und gänzlich egal ist, was mit den Figuren passiert, ob sie leben oder sterben oder leiden oder lieben, dann trübt das schon das Lesevergnügen.

Auch das Erzähltempo hat für mich nicht funktioniert. Die erste Hälfte des Romans baut sich sehr, sehr langsam auf und leidet massiv unter Redundanzen. Ich habe so oft gelesen, dass die Bunnys ein quietischiger, rosafarbener Haufen sind, ohne, dass jemals eine neue Info dazu gekommen wäre, dass ich kurz davor war, abzubrechen. Aber irgendwas hat mich an der Geschichte immerhin so sehr interessiert, dass ich weiterlesen wollte. Belohnt wurde diese Durchhaltekraft allerdings erst im letzten Drittel, wo es dann tatsächlich mal ein bisschen spannend wird. Also ein bisschen. Die Horrorelemente davor sind reiner Softcore Splatter, der höchstens eklig ist, aber selbst mein empfindsames Gemüt nicht aus dem Gleichgewicht bringen konnte.

Aber bei all dem Gemecker war der Roman ja offenbar nicht schlecht genug, um ihn abzubrechen. Ich quäle mich nicht durch Bücher, in denen ich gar kein Potenzial mehr sehe. Tatsächlich hat man ganz lange noch den Eindruck, dass das dicke Ende noch kommt, dass es noch irgendeine Wendung gibt, mit der man wirklich gar nicht mehr gerechnet hätte. Und ein bisschen gibt es die auch. Es gibt also durchaus einen funktionierenden Spannungsbogen, auch wenn er größtenteils recht flach verläuft. Außerdem mochte ich, wie Samantha in die Bunnys hinein und wieder hinaus morpht, wie die Bunnys erst richtige Vornamen kriegen, dann sogar „wir“ werden und schließlich wieder eine hassenswerte Masse werden. Das ist im Text ganz charmant gelöst. Ich mochte auch, wie die Autorin das Schreiben von Geschichten und den kreativen Schaffensprozess überhaupt thematisiert.

Am Ende lässt der Roman viele Fragen offen, wie auch die Masse der Interpretations-Versuche im Internet zeigt und das ist es wahrscheinlich, was die Menschen so daran fasziniert. Awad schafft keine Realität, bis zum Schluss nicht. In Warren scheint alles möglich zu sein, zumindest aber in den Geschichten, die dort entstehen. Ich mochte das Offene, dass man am Ende ein bisschen puzzeln musste, um zu verstehen, was möglicherweise passiert ist. Aber das ist für mich ein ganz schön schwacher Trost für gute 370 Seiten insgesamt mittelmäßigen Text. Vielleicht habe ich was übersehen, vielleicht ist mir eine verrückte Meta-Ebene entgangen, die alle sehen und die das ganze zu einer wirklich brillanten Satire macht. Vielleicht gehören auch die nicht wenigen und heftigen Lektorats-Fehler dazu und sind so eine Art ironischer Kommentar. Gewissheit gibt es also wenig in diesem Roman, sicher ist aber: Mein Vertrauen in Book-Tok wurde hiermit nicht gestärkt.

Mona Awad: Bunny.
Head of Zeus 2019, 373 Seiten.

9781788545440

In deutscher Übersetzung von Elena Helfrecht ist das Buch unter gleichem Titel bei btb erschienen.


2 Antworten zu „Kuschelige Fassaden – „Bunny“ von Mona Awad”.

  1. Avatar von Christoph

    Mit den Wollfäden hast Du es am Ende aber farblich doch recht gut hinbekommen.

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    1. Avatar von schiefgelesen

      Ich hätte gerne ein noch ein bisschen grelleres Pink gehabt, das scheint aber derzeit wirklich und völlig zurecht in der Strickmode nicht en vogue zu sein. Aber ich bin auch ganz zufrieden.

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