Ganzheitliches Leiden – „Junge Frau mit Katze“ von Daniela Dröscher

Ela steckt gerade in den Vorbereitungen ihrer Promotion, als sie auf einmal hartnäckige Halsschmerzen bekommt. Was harmlos klingt, wird zum Startpunkt eines langen Leidenswegs, der sie durch diverse Praxen, an den Rand eines Nervenzusammenbruchs und in die Mitte ihrer größten Ängste führt.

Das erste Viertel von Junge Frau mit Katze begleitete mich während einer ominösen SEV-Fahrt von Norddeich-Mole nach Bremen, deren Existenz lange als überhaupt umstritten galt und deren einziger Gast ich zeitweise war. Die Sonne ging unter, als wir – der Busfahrer und ich – Norddeich verließen und den Rest der Fahrt verbrachten wir schweigend, später ergänzt um nur wenige Gäste, in der Dunkelheit Niedersachsens. Ich hatte Kopfhörer auf und hörte Hörbuch, während ich nach draußen guckte, wo es ungefähr gar nichts zu sehen gab. Erst in Bad Zwischenahn wurde ich wieder munter, weil ich mich erstens fragte, warum um alles in der Welt wir in Bad Zwischenahn waren und warum eine mir nicht näher bekannte Frau seit geschlagenen zwei Stunden über ihre Laryngitis erzählte. Die Antwort auf die erste Frage war Autobahnsperrung, die Antwort auf die zweite Frage habe ich noch nicht so richtig gefunden.

Junge Frau mit Katze erzählt von einer Ela, einer jungen Frau, die eines Tages mit Halsschmerzen erwacht, die sie immer stärker einschränken, weshalb sie schließlich eine Ärztin aufsucht, die Laryngitis diagnostiziert. Selten, dass man eine Laryngitis hat, ohne weitere Symptome einer Atemwegserkrankung. Für Ela beginnt eine Diagnose-Reise, die sie über Magensäureblocker und Schilddrüsenerkrankungen zum Allergologen führt, schließlich zur Akupunktur und zur Kinesiologie, geleitet von immer weiteren Fragen und Befürchtungen. Eine ihrer größten Sorgen: Soll sie die verschriebenen Medikamente wirklich nehmen? Soll sie ihre Mutter dazu befragen oder soll sie dem Rat ihrer Therapeutin folgen und ihre Mutter nicht mehr immer wegen allen ihren Leiden anrufen?

Man sieht: Die Gefühlswelt der Protagonistin ist komplex und fragil. In der Therapie arbeitet sie mit einem Gefühlsrad, mit dessen Hilfe sie lernen soll, ihre Emotionen besser zu verstehen und zu bewältigen. In Sachen Krankheit ist sie allerdings auch massiv vorbelastet: In jungen Jahren wurde bei ihr ein Hirntumor festgestellt, der operativ entfernt werden musste. Obwohl es seitdem keine Anzeichen dafür gab, sitzt die Sorge vor einem Rückkehr der Erkrankungen tief bei ihr. Und nun steht auch noch der Verdacht im Raum, ihr über alles geliebter Kater könne der allergische Auslöser allen Übels sein.

„Das hier war kein Leben, es war eine Zumutung. Ein ausharrendes Erleiden, eine groteske Kopie dessen, was man Leben nannte.“

– S. 140

Die Krankheiten nehmen einen großen Raum im Roman ein, es ist aber bei weitem nicht das einzige Feld, das die Protagonistin umtreibt. Die Verteidigung ihrer Doktorarbeit muss vorbereitet werden, sie entwickelt komplexe Gefühle für ihren Kollegen O. und sie muss Japanisch lernen, denn offenbar glaubt eine ihrer Prüferinnen, sie spräche diese Sprache und es erscheint ihr unmöglich, diesen Irrtum jetzt noch aufzuklären. Unter all dem Druck leidet sie furchtbar und wird, wie ich fand, leider völlig unerträglich. Mit ihrer eigenen und der familiären Vorgeschichte ist ihre Sorge im Kern verständlich und auch gut in der Figur begründet, aber die ständige Beschäftigung mit sich selbst und jedem Symptom ist auch schlicht ermüdend.

Der Roman dreht sich um die Zusammenhänge zwischen Körper, Geist und Psyche, um die Anforderungen und Zumutungen eines stressigen Lebens, denen der Körper irgendwann nicht mehr standhält, gegen die er rebelliert. Es ist ein Thema, mit dem die meisten Menschen an irgendeinem Punkt ihres Lebens auf irgendeine Art konfrontiert werden und dem sie irgendwie begegnen müssen, ebenso wie den erbarmungslosen Mühlen eines Gesundheitssystems, das aufs Abarbeiten ausgerichtet ist und nicht auf Verständnis. Dröscher erzählt davon in einem nüchternen, von leiser Ironie und Witz durchsetztem Stil, ohne aber die Last der unklaren Diagnosen und das reale Leiden der Protagonistin abzuschwächen. Abwechslung bieten eingestreute Referenzen und Zitate aus dem Werk der japanischen Autorin Yōko Tawada und der Lebensgeschichte des Hochstaplers George Psalmanazar, über den Ela promoviert und der als Der falsche Japaner zum Inhalt von Dröschers erstem Roman wurde.

Dem Text mangelt also nicht an interessanten Aspekten, aber Elas ständige Sorge, das ständige Horchen auf jede Regung ihres Körpers und die Unfähigkeit, eigene Entscheidungen zu treffen oder gar in Konfrontationen zu gehen, fand ich entsetzlich mühsam. Der Transfer der höchstpersönlichen Erfahrung ins allgemein Gültige gelingt kaum. Im Laufe des Romans gelingt es ihr dann doch, sich ein wenig freizuschwimmen, eine eigene Stärke und einen eigenen Weg zu finden. Das ist schön für Ela und ein Segen für den Text, in dem dann doch einige Knoten gelöst werden können. Aber der Weg dahin – meine Güte, Ela. Man braucht Geduld mit dir und deiner Laryngitis, viel weiter als von Norddeich-Mole bis Bad Zwischenahn.


Daniela Dröscher: Junge Frau mit Katze.
Kiepenheuer & Witsch 2025, 313 Seiten.

978-3-462-00761-9


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