Steven Galloway: Der Illusionist

illusionistMartin Strauss erhält zu Beginn des Buchs die Diagnose von seinem Arzt, dass er langsam aber sicher verrückt werden wird und es zum Teil sogar schon ist. Er vergisst Erlebnisse aus seiner Vergangenheit und ersetzt diese durch völlig erfundene Geschichten, von denen er aber glaubt, sie seien wahr – er konfabuliert. Da ein guter Teil der Geschichte aus seiner Perspektive erzählt wird, kann man sich niemals völlig sicher sein, was wahr ist und was seiner Phantasie entspringt, wenn er, auf einer Bank vor dem Krankenhaus sitzend, sein Leben Revue passieren lässt.

Zweimal in seinem Leben trifft Martin Strauss, selbst Zauberer, auf den großen Harry Houdini. Und beide Male bringt er ihn um. Um von diesen beiden Begegnungen zu berichten, wird die Biographie Houdinis erzählt. Sein Aufstieg von einem zweitklassigen Zirkuszauberer, der mit billigen Tricks vorgibt, die Gedanken des Publikums lesen zu können zum größten Magier und Entfesselungskünstler seiner Zeit. Seine Verbindungen zu Geheimdiensten, zum russischen Zarenhaus, seine Bekanntschaft mit Arthur Conan Doyle und sein erbitterter Kampf gegen betrügerische Spiritisten, die zu seiner Lebenszeit ein Vermögen mit den Ängsten anderer Menschen machten und großen Einfluss auf wichtige Politiker nahmen – das alles nimmt ein Ende, als Houdini 1926 auf Martin Strauss trifft, der einen seiner Auftritte in Montreal besucht und ihn tötet, ohne es zu beabsichtigen. Aber wie tot ist der Meister der Illusion wirklich?

Weiterlesen

László Krasznahorkai: Melancholie des Widerstands

widerstandBis zur Verleihung des diesjährigen Man Booker International hatte ich, wie ich zugeben muss, László Krasznahorkai überhaupt nicht auf dem Schirm. Macht nichts, kann man nachholen. Das erste Buch, das ich von ihm gelesen habe, ist also Melancholie des Widerstands.

Die eigentliche Handlung ist schnell erzählt – in einer ungarischen Kleinstadt steht die Welt am Rande des Untergangs. Schon Anfang November sind die Temperaturen ungewöhnlich niedrig, der Unrat gefriert auf den Straßen, die Züge fahren nicht mehr regelmäßig und die Straßenlaternen leuchten nicht mehr. Wer sich nach Einbruch der Dunkelheit draußen herumtreibt, spielt mit seinem Leben, über der ganzen Stadt hängt eine Glocke der Angst. Dann kommt ein Zirkus in die Stadt, der nicht nur einen ausgestopften riesigen Wal mitbringt, sondern auch einen winzigen Herzog mit fiepsiger Stimme. Dem Zirkus folgt eine Schar bedrohlicher Gestalten, die sich schweigend und düster auf dem Marktplatz versammeln und auf den Befehl des mysteriösen Herzogs warten, der scheinbar nichts will als Zerstörung.

Weiterlesen