Was macht Weltliteratur eigentlich aus? Wer bestimmt, welche Literatur von Weltrang ist und welche übersehen wird? Diesen Fragen widmet sich der Orientalist Gerrit Wustmann in Weltliteratur und kommt zu einem ernüchternden Ergebnis: Wer „Weltliteratur“ sagt, meint fast immer „Westliteratur“.
Auf den Bestsellerlisten und auch auf den Empfehlungslisten, die von Gremien oder Einzelpersonen immer wieder stolz präsentiert werden, sieht man vor allem Literatur aus Europa und Nordamerika. Nur selten findet sich dort ein Werk aus der Türkei oder einem arabischen Land und auch große Teile des afrikanischen Kontinents sind literarische terra incognita. Kulturell nimmt der Westen diese Länder nicht ernst, so der Vorwurf Wustmanns. Dabei hat man es eigentlich so leicht wie nie. Nie zuvor war die Kommunikation über Grenzen hinweg so einfach, nie der Zugang zu anderen Kulturen und ihren Literaturen so leicht. Goethe, der den Begriff der Weltliteratur geprägt hat, konnte davon nur träumen. Doch die meisten Verlage scheuen das Risiko, teure Übersetzungen aus selten angefragten Sprachen zu beauftragen und dann möglicherweise palettenweise Unverkäufliches in den Schredder zu werfen. Da setzt man lieber auf eine sichere Bank: rund 80 – 90% der Übersetzungen auf dem deutschen Buchmarkt stammen aus europäischen Sprachen, 60% allein aus dem Englischen.
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