Der westliche Nabel der Welt – „Weltliteratur“ von Gerrit Wustmann

Was macht Weltliteratur eigentlich aus? Wer bestimmt, welche Literatur von Weltrang ist und welche übersehen wird? Diesen Fragen widmet sich der Orientalist Gerrit Wustmann in Weltliteratur und kommt zu einem ernüchternden Ergebnis: Wer „Weltliteratur“ sagt, meint fast immer „Westliteratur“.

Auf den Bestsellerlisten und auch auf den Empfehlungslisten, die von Gremien oder Einzelpersonen immer wieder stolz präsentiert werden, sieht man vor allem Literatur aus Europa und Nordamerika. Nur selten findet sich dort ein Werk aus der Türkei oder einem arabischen Land und auch große Teile des afrikanischen Kontinents sind literarische terra incognita. Kulturell nimmt der Westen diese Länder nicht ernst, so der Vorwurf Wustmanns. Dabei hat man es eigentlich so leicht wie nie. Nie zuvor war die Kommunikation über Grenzen hinweg so einfach, nie der Zugang zu anderen Kulturen und ihren Literaturen so leicht. Goethe, der den Begriff der Weltliteratur geprägt hat, konnte davon nur träumen. Doch die meisten Verlage scheuen das Risiko, teure Übersetzungen aus selten angefragten Sprachen zu beauftragen und dann möglicherweise palettenweise Unverkäufliches in den Schredder zu werfen. Da setzt man lieber auf eine sichere Bank: rund 80 – 90% der Übersetzungen auf dem deutschen Buchmarkt stammen aus europäischen Sprachen, 60% allein aus dem Englischen.

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Tom Disch: Endzone – Letzte Gedichte

Der US-amerikanische Autor Tom Disch dürfte, obwohl in seinem Genre sehr bekannt, hierzulande fast nur ernsthaften SciFi-Fans ein Begriff sein. Für seine Romane, die er unter seinem vollen Namen Thomas M. Disch veröffentlichte, erhielt er unter anderem mehrfach den renommierten Nebula Award. Als er 2008 Suizid beging, hinterließ er aber auch eine beachtliche Gedichtsammlung. Einige davon veröffentlichte er in seinen letzten Lebensjahren auf seinem Blog endzone, der noch immer online ist.

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Seinem Selbstmord voraus gingen drei Jahre, in denen ein Schicksalsschlag auf den nächsten folgte. Nachdem sein Lebensgefährte Charles Naylor an einer Krebserkrankung gestorben war, drohte ihm der Verlust der ehemals gemeinsamen Wohnung, die auf Naylors Namen lief und auch das Landhaus des Paares wurde durch einen Wasserschaden unbewohnbar. Zudem litt Disch selbst mit Ende 60 an verschiedenen Erkrankungen, die eine gesellschaftliche Teilhabe immer schwieriger machten. Sein literarisches Schaffen war fast völlig zum Erliegen gekommen, außer ein paar eher unbedeutenden Veröffentlichungen in Kleinverlagen konnte er keine Erfolge mehr verzeichnen.

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Evan Osnos: Große Ambitionen. Chinas grenzenloser Traum

grosse_Ambitionen„Das China in dem ich mittlerweile lebte, konnte zugleich inspirieren und wahnsinnig machen, diese Heimat der mit bloßen Händen erarbeiteten Vermögen und der schwarzen Gefängnisse, der ungebremsten Neugier auf die Welt und des defensiven Stolzes hinsichtlich Chinas neuem Platz in ebendieser.“

China ist in den letzten Jahren zum Symbol für rasanten Aufstieg geworden. Die Wirtschaft des Landes explodiert, eine stetig wachsende Mittelschicht häuft Reichtum an und chinesische Investoren sind aus internationalen Großprojekten fast nicht mehr wegzudenken. Zugleich steht China aber auch für minderwertige Qualität, Fälschungen und im schlimmsten Fall gesundheitsgefährdende Produkte. Skandale wie giftige Babynahrung, Menschenrechtsverletzungen bei der Ausrichtung der Olympiade oder die völlig unzureichende Reaktion auf das Erdbeben in Sichuan gingen um die ganze Welt.

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Internationaler Literaturpreis – Die Shortlist 2016

Nachdem gerade erst der Man Booker International Prize verliehen wurde, gab die Jury gestern nun auch die Shortlist des Internationalen Literaturpreises bekannt. Mit diesem Preis werden seit 2009 Werke ausgezeichnet, die in deutscher Erstübersetzung  erschienen sind. Verliehen wird der Preis vom Haus der Kulturen der Welt und der Stiftung Elementarteilchen. Der Jury gehören unter anderem Iris Radisch und Michael Krüger an.

Nominiert sind in diesem Jahr der Schwede Johannes Anyuru/Paul Berf mit Ein Sturm wehte vom Paradiese her, das mexikanische Buch Die Geschichte meiner Zähne von Valeria Luiselli/Dagmar Ploetz, das in Südafrika erschienene Double Negativ von Ivan Vladislavić und Thomas Brückner sowie Der Perser von Alexander Ilitschewski und Andreas Tretner. Außerdem steht Shumona Sinha mit ihrer Übersetzerin Lena Müller auf der Liste, die im letzten Jahr mit Erschlagt die Armen eigentlich schon jeden Preis mitgenommen hat. Und auch Joanna Bator/Lisa Palmes sind mit Dunkel, fast Nacht auf der Shortlist, nachdem ich letztens erst so darauf herumgetrampelt habe. Die Jury fand, dass Bator „souverän und sinnfällig viele Erzählschichten, Sprach- und Realitätsebenen“ verwebt. Ich nicht, trotzdem freue ich mich natürlich, wenn Frau Bator auf diesem Weg neue Leser findet.

Der Preis wird am 14.06. verliehen und wer am 24.06. gerade in der Gegend (also Berlin) ist, kann zum Fest der Shortlist gehen, bei dem alle AutorInnen und ÜbersetzerInnen zu Lesungen und Gesprächen eingeladen sind.

Darüber hinaus gibt es einen sehr interessanten Blog des ILP den man sich auf jeden Fall mal angucken sollte.

Man Booker International Prize für „The Vegetarian“ von Han Kang

thevegetarianHeute ist der Man Booker International Prize verliehen worden, mit dem seit diesem Jahr jährlich ein Werk ausgezeichnet wird, das in englischer Übersetzung erschienen ist. Dieses Jahr hat den Preis die Koreanerin Han Kang für ihren Roman The Vegetarian bekommen. Sie teilt sich den Preis mit Deborah Smith, die den Roman übersetzt hat. Smith hat erst vor sieben Jahren begonnen, Koreanisch zu lernen, dann aber auch gleich in Südkorea.

Der Roman handelt von der Koreanerin Yeong-hye, einer Frau, die ein friedliches Leben mit ihrem Ehemann führt, bis sie plötzlich beschließt, fortan Vegetarierin zu sein. Ihr Umfeld nimmt dies als Akt der Rebellion wahr. Yeong-hye wird immer radikaler, entfernt alles tierische aus dem Haushalt und träumt vom Leben als Pflanze. Ihre Familie steht dieser Entwicklung sehr kritisch gegenüber und wendet sich schließlich gegen sie.

In deutscher Übersetzung erscheint das Buch unter dem Titel Die Vegetarierin im August bei aufbau.

 

Man Booker International Prize 2016 – die Shortlist

Seit heute gibt es die Shortlist für den Man Booker Intertnational Prize, der für internationale Literatur in englischer Übersetzung verliehen wird. Preisverleihung ist am 16. Mai und diese Titel haben es aus 155 Einreichungen bis hier geschafft:

José Eduardo Agualusa (Angola)/Daniel Hahn: A General Theory of Oblivion

Elena Ferrante (Italien)/Ann Goldstein: The Story of the Lost Child

Han Kang (Südkorea)/Deborah Smith: The Vegetarian

Orhan Pamuk (Türkei)/Ekin Oklap: A Strangeness in My Mind (dt.: Diese Fremdheit in mir)

Roberth Seethaler (Österreich)/Charlotte Collins: A Whole Life (dt.: Ein ganzes Leben)

Yan Lianke (China)/Carlos Rojas: The Four Books