Für die Frau von heute – „Cuca“ von Alfonsina Storni

Die Schriftstellerin Alfonsina Storni, die im Tessin geboren wurde und den größten Teil ihres Lebens in Argentinien verbrachte, ist im deutschsprachigen Raum so gut wie unbekannt. Das zu ändern hat sich Hildegard Keller nun mit ihrer „Edition Maulhelden“ zur Aufgabe gemacht. Für diese Edition übersetzt sie seit einiger Zeit Texte aus dem sehr abwechslungsreichen Werk Stornis. In Lateinamerika ist Storni vor allem für ihre Lyrik bekannt, sie schrieb aber auch für Zeitschriften. Literaturkritik gehörte dabei ebenso zu ihrem Repertoire wie Reisereportagen und Kurzgeschichten.

Cuca enthält eine Auswahl all dieser Gattungen. Den Beginn bilden einige sehr unterschiedliche Erzählungen. Storni verarbeitet darin sowohl ihre Erfahrungen als Lehrerin, als auch Reiseeindrücke wie die tiefe Freundschaft zu einer Vogelspinne namens Catalina, die im Hotelzimmer der Erzählerin lebt. Ein wiederkehrendes Thema ist auch die gehobene und eigentlich schon abgehobene „bessere Gesellschaft“ von Buenos Aires. Storni beweist darin eine genaue Beobachtungsgabe und einen kritischen, reflektierten Blick.  Andere Texte wie der über die titelgebende Dame namens Cuca sind surreal und phantastisch. In ihren „Zugfensterheften“ notierte Storni Eindrücke einer Reise, die sie von Buenos Aires an der Ostküste bis nach Traful an der Grenze zu Chile unternahm. „Die Distanzen: Das ist Argentiniens Feind“ konstatierte die Autorin irgendwo auf der letzten Etappe hinter Bariloche. Aber immerhin bescherte die lange Reise ihr Einblicke in das Land und seine Leute von der öden Pampa bis zum mondänen Badeort an den Ufern des Correntoso-Sees, dessen Reiz auch Storni sich nicht entziehen konnte: „Eiskaltes Wasser, strahlende Sonne, das Paradies.“

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Bratkartoffeln und der Rhein – „Streifzüge durch Deutschland“ von Mary Wollestonecraft Shelley

Das erste Mal bereiste Mary Shelley Deutschland, als sie mit ihrem zukünftigen Mann Percey Shelley in Richtung Schweiz durchbrannte. Das war im Sommer 1814. Die Fahrt entlang des Rheins findet später ihren Niederschlag in der Reise, die Victor Frankenstein in umgekehrter Richtung von der Schweiz nach England unternimmt. Selbst sein Name stammt von einer Burg, die Shelley auf ihrer Reise besichtigte. Der Reisebericht dieser ersten Reise fällt allerdings ausgesprochen knapp aus. Das änderte sich, als sie Deutschland anlässlich zweier Italienreisen in den Jahren 1840 und 1842 erneut besuchte. Das eine Mal war das eigentliche Ziel der Comer See, das zweite Mal sollte es in die Toskana gehen.

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Sinnsuche zwischen Nadelbäumen: „Die Kieferninseln“ von Marion Poschmann

Gilbert Silvester, aktuell Bartforscher in befristeter Anstellung, träumt eines Nachts, dass sein Frau ihn betrogen habe. Ohne weitere Klärung verlässt er am nächsten Morgen tief erschüttert die gemeinsame Wohnung und fährt zum Flughafen, wo er in das nächste Flugzeug steigt, das zu einem weit entfernten Ziel fliegt. So kommt er nach Tokyo. Freiwillig hätte er das nie gemacht, da er Tee-Kulturen meidet, weil sie, seiner Einschätzung nach, alles verkomplizieren und unter einem Schleier der Mystik verbergen. Dass er es nun doch tun muss lastet er klar seiner Frau an, die derweil zu Hause sitzt und sich fragt, wo ihr Mann abgeblieben ist.

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In Tokyo bleibt Gilbert nicht lang allein. Während er fasziniert das perfekt organisierte Treiben an einem Bahnhof beobachtet, trifft er auf Yosa Tamagotchi, den er mit völlig unbeherztem Eingreifen von einem Selbstmord eher ablenkt als abhält. Der Bahnsteig sei sowieso ein nur drittklassiger Ort für einen Selbstmord, erklärt Yosa und schließt sich Gilbert an, der den Plan entwickelt, auf den Spuren des Haiku-Dichters Bashō nach Matsushima, zu den Kieferninseln zu reisen. Überhaupt die Kiefern und die Wälder – sie spielen eine wichtige Rolle auf den japanischen Inseln und auch in diesem Roman. Gilbert erscheint es geradezu sinnlos, die Wuchsform der Bäume und die Form einzelner Äste zu bestaunen. Anders die Autorin. Sie begeistert sich für die Landschaften, durch die die beiden Männer reisen und beschreibt sie bis ins Detail.

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Mark Twain: Meine geheime Autobiographie

„In dieser Autobiographie ist es meine Absicht, abzuschweifen, wann immer mir danach zumute ist, und wieder zurückzukehren, wenn ich so weit bin.“

Abschweifen kann Mark Twain tatsächlich wie fast kein Zweiter. Mehr als einmal musste ich beim Lesen seiner Biographie an Abe Simpson denken.

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