Worte über das Essen – „Eating Words – A Norton Anthology of Food Writing“

Während die Eloquenz beim Essen bei einigen bei „ja, kann man essen“ endet, gibt es andere, die ihre komplette berufliche Laufbahn dem Essen, dem Kochen und vor allem dem darüber Schreiben widmen und gewidmet haben. Einige davon finden Platz in dieser Anthologie mit dem Titel Eating Words, wobei die Betonung vorne auf dem Titel liegt – es geht nicht um das Essen von Wörtern, sondern um Essens-Wörter, bzw. Wörter über das Essen.

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Die HerausgeberInnen Sandra M. Gilbert und Roger J. Porter nähern sich dem Thema auf verschiedenen Themen und in ganz verschiedenen Epochen. Das erste Kapitel schafft einen historischen Überblick: dort finden sich Texte aus der Bibel ebenso wie Sinclairs Reportagen aus dem Schlachthaus und – natürlich – Prousts Kontemplationen über die Madeleine. Ein weiteres Kapitel widmet sich der Bedeutung von Essen und Küchentraditionen bei der Schaffung von Erinnerungen und Identitäten. Und so geht es das ganze Buch hindurch. Essen, und vor allem das Schreiben darüber, wird aus jeder erdenklichen Perspektive betrachtet, von sehr persönlichen Erinnerungen an das gemeinsame Essen in der Familie bis zu weit abstrakteren Betrachtungen und, im letzten Kapitel, auch einigen Texten zur Politik des Essens. Dort finden sich sowohl Auszüge aus „Consider the Lobster“, eine kritische Schrift, die David Foster Wallace nach einem Besuch auf einem Hummerfestival in Maine verfasste, sowie Statements von PETA, in denen erläutert wird, warum der Mensch sowieso ein Pflanzenfresser sei. Die Frage, warum Menschen abends im Bett Kochbücher lesen, wird ebenso untersucht wie das achtsame Essen einer Zwiebel.

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Bernhard Kegel: Ausgestorben um zu bleiben. Dinosaurier und ihre Nachfahren.

Es ist fast zehn Jahre her, da habe ich für ein paar Wochen bei einer Familie mit einem sechsjährigen Sohn gewohnt, der Dinos mochte. Ich sagte, dass ich auch Dinos mag und hatte verloren. Als Zeichen seiner besonderen Wertschätzung für unser gemeinsames Interesse gab es ab da jeden Abend Dino-Quiz und zwar die verschärfte Variante, der Sechsjährige war nämlich Asperger-Autist und mit „ungefähr“ nicht zufrieden.

Der erste Stegosaurus lebte vor etwa

a) 157 Millionen Jahren
b) 167 Millionen Jahren
c) 177 Millionen Jahren

Na? Wer hätte es gewusst?*

Einem Sechsjährigen eine Antwort schuldig zu bleiben ist schwer genug, einem sechsjährigen Asperger-Autisten eine Antwort schuldig zu bleiben ist schlicht unmöglich und die einzig richtige Antwort die ich hatte war „Ich habe keine scheiß Ahnung. Null. Ich mag Dinos, ich weiß aber nichts über sie. Außer, dass sie irgendwie groß sind. Und wenn ich noch einen Abend dieses dämliche Quiz machen muss – obwohl ich es schätze, dass du dir die Fragen offenbar selbst ausdenkst – schieße ich mir in den Kopf.“ Das konnte ich nicht sagen weil es unhöflich gewesen wäre und es hätte mir auch nichts gebracht, weil der Sechsjährige nur Niederländisch sprach und so konnte ich nur sagen „Ik weet het niet. Sorry.“ und mir vornehmen, ein Buch zum Thema zu lesen.

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Frank Witzel: Bluemoon Baby

Frank Witzels Debüt Bluemoon Baby fand 2001, als es bei Edition Nautilus (einer meiner Lieblingsverlage übrigens) erschien, recht wenig Aufmerksamkeit. Das änderte sich natürlich schlagartig, als er 2015 für den deutlich umfangreicheren manisch-depressiven Teenager den Buchpreis bekam. Bluemoon Baby ist deutlich schmaler, dafür aber auch deutlich versponnener.

Der Roman beginnt recht harmlos mit dem Gymnasiallehrer Hugo Rhäs, der in Mittelhessen sehr bescheiden in der ehemaligen Hausmeisterwohnung einer geschlossenen Fabrik lebt. Dort liest er, um dem trostlosen Arbeitsalltag zu entkommen, Beat-Autoren und arbeitet an einer eigenen Roman- bzw. Wirklichkeitstheorie. Was weder er noch die Leser zu Beginn ahnen können ist, dass Hugo Rhäs auf sehr komplizierte Weise verbunden ist mit dem Fall einer fanatisch religiösen Sekte in den USA, die mehrere Kinder in ihrer Gewalt haben soll, und die gerade mit Hilfe des gänzlich knochenlosen Jungen Douglas Douglas Jr. zum Aufgeben gezwungen werden soll. Und wer steckt dahinter? Ein Geheimdienst natürlich. Derzeit ist Rhäs größte Sorge aber noch die Frage, ob seine Kollegin Frau Helfrich wohl mal mit ihm ausgehen würde.

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