John Marzluff und Tony Angell: Gifts of the Crow

Manchmal, wenn man so nebeneinander sitzt und schweigt, sagt jemand ‚erzähl doch mal was‘. Ich erzähle dann oft folgende Geschichte: Eine Krähenpopulation in England weiß, dass in Kälberausscheidungen ein Enzym ist, das sie gut gebrauchen können. Kälbermägen können dieses Enzym nicht aufspalten und scheiden es einfach aus. Die Krähen haben gelernt, dass Kälber fast immer kacken müssen, wenn sie aufstehen. Das wusste ich zum Beispiel nicht. Deshalb fliegen die Krähen auf die Weide und nerven die Kälber bis sie aufstehen. Krähen sind sehr kluge Vögel.

Ich weiß überhaupt nicht, warum ich immer diese Sache erzähle, ich habe nun wirklich Spannenderes erlebt. Diese Krähengeschichte möchte ich aber gerne mit vielen Leuten teilen, weil sie so klug sind. Wenn meine Gesprächspartner nicht hinreichend beeindruckt sind, erzähle ich auch noch folgende Geschichte: An der Universität von Washington gibt es einen Mann namens Marzluff, der ist Krähenforscher. Der hat sich eine Maske aufgesetzt und hat die Krähen auf dem Campus geärgert. Die Kinder der Krähen hat er dann nicht mehr geärgert. Trotzdem hat auch die nächste Krähengeneration die Maske gehasst, weil die Eltern ihnen das beigebracht haben. Auch neu auf dem Campus zugezogene Krähen haben sehr schnell gelernt, die Maske zu hassen, obwohl sie nichts mehr gemacht hat. Krähen lernen über soziale Netzwerke, was für Tiere sehr selten ist. Wenn mein Gesprächspartner dann immer noch nicht beeindruckt ist, leere ich mein Glas und gehe. Manche Leute!

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Steven Pinker: The Language Instinct

Jeder Mensch wird mit einem Sprachinstinkt geboren. Das ist die grundlegende These, die Pinker in diesem Buch ausarbeitet. Wie genau der Spracherwerb dann ausfällt, ist abhängig vom (sprachlichen) Umfeld und den individuellen Voraussetzungen, grundsätzlich ist aber alles möglich. Damit ist er sehr nahe an Chomskys Universalgrammatik, auf die er auch mehrfach Bezug nimmt.

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Für den Spracherwerb bei Kindern gibt es eine „kritische Phase“, in der sich diese Fähigkeit rasant entwickelt, ohne dass eine explizite Unterweisung nötig wäre. Wird diese Phase aber versäumt, ist es enorm schwierig bis unmöglich, noch eine Sprache zu erlernen, was mehrfach bei „Bärenkindern“ zu beobachten war, die angeblich ohne jeden menschlichen Kontakt in der Wildnis aufgewachsen sind. Auch wird es mit zunehmendem Alter immer schwerer, eine weitere Sprache zu erlernen. Pinker begründet dies damit, dass die komplexe und energieaufwändige Fähigkeit des Spracherwerbs an einem bestimmten Lebenspunkt (ca. frühe Pubertät) als überflüssig eingestuft und eingestellt wird. Deshalb ist es für Menschen, die nach diesem Zeitpunkt eine weitere Sprache erlernen, fast unmöglich, diese akzent- und fehlerfrei zu sprechen.

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