Worte über das Essen – „Eating Words – A Norton Anthology of Food Writing“

Während die Eloquenz beim Essen bei einigen bei „ja, kann man essen“ endet, gibt es andere, die ihre komplette berufliche Laufbahn dem Essen, dem Kochen und vor allem dem darüber Schreiben widmen und gewidmet haben. Einige davon finden Platz in dieser Anthologie mit dem Titel Eating Words, wobei die Betonung vorne auf dem Titel liegt – es geht nicht um das Essen von Wörtern, sondern um Essens-Wörter, bzw. Wörter über das Essen.

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Die HerausgeberInnen Sandra M. Gilbert und Roger J. Porter nähern sich dem Thema auf verschiedenen Themen und in ganz verschiedenen Epochen. Das erste Kapitel schafft einen historischen Überblick: dort finden sich Texte aus der Bibel ebenso wie Sinclairs Reportagen aus dem Schlachthaus und – natürlich – Prousts Kontemplationen über die Madeleine. Ein weiteres Kapitel widmet sich der Bedeutung von Essen und Küchentraditionen bei der Schaffung von Erinnerungen und Identitäten. Und so geht es das ganze Buch hindurch. Essen, und vor allem das Schreiben darüber, wird aus jeder erdenklichen Perspektive betrachtet, von sehr persönlichen Erinnerungen an das gemeinsame Essen in der Familie bis zu weit abstrakteren Betrachtungen und, im letzten Kapitel, auch einigen Texten zur Politik des Essens. Dort finden sich sowohl Auszüge aus „Consider the Lobster“, eine kritische Schrift, die David Foster Wallace nach einem Besuch auf einem Hummerfestival in Maine verfasste, sowie Statements von PETA, in denen erläutert wird, warum der Mensch sowieso ein Pflanzenfresser sei. Die Frage, warum Menschen abends im Bett Kochbücher lesen, wird ebenso untersucht wie das achtsame Essen einer Zwiebel.

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Bob Holmes: Geschmack

Der Geschmack, so die These des Autors, ist ein völlig vernachlässigter Sinn. Natürlich nutzt man ihn täglich, aber man achtet oft nur wenig darauf. Viele Menschen essen nebenbei, im Gehen oder beim Fernsehen und konzentrieren sich nicht auf das, was sie essen. So kommt es, dass uns oft auch das Vokabular fehlt, einen Geschmack differenziert zu beschreiben. Forelle und Hering schmecken völlig unterschiedlich, Butternut und Hokkaido auch, aber es nicht leicht, diesen Unterschied präzise in Worte zu fassen. Noch schwieriger ist es beim Riechen, das den Geschmack immens beeinflusst. Für Gerüche haben die meisten Menschen kaum ein aussagekräftiges Vokabular und oft bleibt nur der Vergleich mit anderen, bereits bekannten Gerüchen.

„Wir analysieren unsere Geschmackserfahrungen nicht, und so kommt es, dass wir auch nicht darüber reden und nachdenken.“

Während wir selbst oft nicht gut ausdrücken können, was wir schmecken, lebt eine ganze Industrie bestens davon. Viele Firmen machen nichts anderes als Geschmack und Geruch in Lebensmittel zu bringen und das aus den unterschiedlichsten Gründen. Im schlechtesten Fall dienen Aromen und Geschmacksverstärker dazu, billige Grundstoffe besser schmecken zu lassen und den Verbraucher über die eigentliche Minderwertigkeit hinweg zu täuschen. Im besten Fall dient der verbesserte Geschmack einer Reduktion von Fett, Salz oder Zucker und macht das Lebensmittel vielleicht sogar gesünder. Und in Sonderfällen soll der Geschmack einfach etwas Besonderes, Unbekanntes sein, das der Verbraucher noch nie geschmeckt hat –  deswegen schmecken Energy Drinks so grauenhaft.

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Michael Pollan: Kochen

„Die Prämisse dieses Buchs lautet, dass das Kochen eine der interessantesten und lohnendsten menschlichen Tätigkeiten überhaupt ist, wobei es allgemein so definiert wird, dass es das ganze Spektrum an Techniken umfasst, die Menschen entwickelten, um Rohstoffe der Natur in nahrhafte und wohlschmeckende Speisen und Getränke zu verwandeln.“pollan_kochen

Pollan, amerikanischer Journalist, geht in diesem Buch der Essenszubereitung in all seinen Facetten nach. Seine Erfahrungen gliedert er dabei in die vier Elemente Feuer, Wasser, Luft und Erde. Einige von euch haben möglicherweise auf Netflix schon seine (sehr sehenswerte) Doku Cooked gesehen, dann dürfte euch einiges, aber bei weitem nicht alles in diesem Buch bekannt vorkommen.

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Bee Wilson: Swindled

wpid-20151003_122359-1.jpg„It was Germany that became the laboratory for what fake foods people could stomach.“

Wie der Untertitel des Buchs schon sagt, ist Bee Wilson in diesem Buch auf den Spuren von verfälschten, gefälschten und schlicht ungenießbaren bis gefährlichen Lebensmitteln.

Die Geschichte beginnt in den 1820ern mit dem jungen deutschen Chemiker Accum, der zu dieser Zeit in London lebte und sein Leben dem Aufdecken von gepanschten Lebensmitteln verschrieben hatte. Nicht, dass es vorher keine gegeben hätte. Es gab nur keine zuverlässigen Methoden, die Verdächtigungen auch tatsächlich zu beweisen. Das änderte sich mit einer Reihe von Tests, die Accum einführte. Nun gab es keine Zweifel mehr – kupfergrüne Gurken, bleirote Käserinde, Schlehdorn-Blätter im Tee. Der Erfindungs-Reichtum schien keine Grenzen zu haben.

In manchen Zeiten war den Menschen auch klar, dass sie nur schlechte Fälschungen zu sich nahmen und der Kaffee aus nichts als Zichorien bestand – man hatte nur eben keine Wahl. Auch dem zu Not- und Kriegszeiten verbreiteten „Ersatz“-Essen widmet Wilson einige Kapitel. Natürlich endeten die Essens-Fälschungen, gewollt oder nicht, nicht mit dem Zweiten Weltkrieg. Wo immer man bei Nahrungsmitteln noch ein kleines bisschen mehr Profit herausholen konnte, wurde und wird gefälscht, gemischt, gepanscht. Stammt das Bio-Ei am Ende doch aus der Legebatterie? Wieviel Kreuzkümmel ist eigentlich in meinem Safran? Ist das wirklich ein Périgord-Trüffel?

Während man sich in Industrieländern vor allem mit solchen Sorgen herumärgert, stehen die Menschen in Entwicklungs- und Schwellenländer oft vor handfesteren Problemen. In vielen Ländern Asiens sind Lebensmittel oft nicht ganz das, was sie zu sein vorgeben und häufig sogar gesundheitsschädigend bis lebensbedrohlich. In Bangladesh liegt die Quote der gefälschten Lebensmittel bei geschätzten 50% – Stichproben lassen sogar deutlich höhere Zahlen vermuten.

Der einzige Ausweg, glaubt Bee Wilson, ist, die Menschen über gutes Essen zu informieren. Sie zu mündigen Verbrauchern zu machen, die verstehen, was sie kaufen und essen. Denn so lange es menschliche Gier gibt, glaubt die Autorin, wird es skrupellose Versuche geben, auf dem gigantischen Lebensmittel-Markt noch ein kleines bisschen mehr zu verdienen, egal, wie viele Gesetze und Richtlinien es gibt.

Wie auch in Am Beispiel der Gabel merkt man, dass Wilson Essen und vor allem gutes Essen am Herzen liegt. Es ist ihr ein Anliegen, dass Menschen zwischen gutem und schlechtem Wein unterscheiden können, dass niemand zu viel für Lebensmittel ausgibt, die von minderer Qualität sind und vor allem, dass niemand an minderwertigem Essen gesundheitlichen Schaden nimmt. Aber sie zwingt dem Leser diese Meinung nicht auf.

Der Fokus ihrer Betrachtungen liegt deutlich auf den USA und Großbritannien. Mit ihren Quellen ist sie sehr exakt und sehr ausführlich in einigen Aspekten – manchmal sogar zu ausführlich. Die 40 Seiten über Accum sind sicher nicht für alle LeserInnen interessant und auch bei einigen anderen Themen geht sie (zu) sehr ins Detail. Der größte Teil des Buchs aber ist ein kurzweiliger Ausflug in die tiefsten Tiefen der Lebensmittelproduktion, der einen oft erstaunt zurücklässt angesichts der Skrupellosigkeit, die hinter einigen Fälschungen steckt.


Bee Wilson: Swindled. From Poison Sweets to Counterfeit Coffee – The Dark History of the Food Cheats. 370 Seiten, ca. € 13,50. John Murray 2008.

Jonathan Safran Foer: Tiere essen

foer_tiere„Wenn der Verbraucher den Farmer nicht dafür bezahlen will, dass er es richtig macht, dann soll er kein Fleisch essen.“

Vor Jahren habe ich Jonathan Safran Foers Romane gelesen, dann aber lange einen Bogen um sein Sachbuch Tiere essen gemacht. Aus dem ganz einfachen Grund, dass ich schon wusste, dass ich nicht mögen würde, was drin steht. Foer widmet sich in diesem Buch der Frage, in welchem Verhältnis Kosten (vor allem für die Tiere) und Nutzen bei der Produktion von Fleisch stehen. Wieviel Leid rechtfertigt der Geschmack von Dosen-Thunfisch? Wieviel Quälerei ertragen wir für Chicken Nuggets?

Die  Familie meiner Mutter hatte lange, über Jahrhunderte, einen Bauernhof, bis es sich nicht mehr gerechnet hat. Vor fünf Jahren hat mein Cousin endgültig aufgegeben und hat jetzt eine Biogas-Anlage. Aufgewachsen aber bin ich mit einem sehr klassischen Vieh- und Ackerland-Betrieb, ich weiß, dass Fleisch aus Tieren ist, ich weiß, dass diese geschlachtet werden und ich weiß, dass der Weg dahin selten schön ist.

Wie unschön der Weg aber tatsächlich ist, will man eigentlich gar nicht hören, auch wenn man es irgendwie schon weiß. Was ich aus eigener Anschauung kenne sind Ställe, in denen Kühe Namen haben und wenigstens jeden Tag auf die Weide kommen. Das ist auch nicht ideal. Aber große, moderne Zucht- und Mastställe haben mit einem Bauernhof-Idyll noch viel weniger zu tun. Das sollte eigentlich jedem Verbraucher klar sein. Für alle, denen es nicht klar ist, hat Foer in US-amerikanischen Betrieben recherchiert, zumindest in denen, die es zugelassen haben. Mit einer Tierrechtsaktivistin ist er in Geflügelställe eingebrochen und hat mit Bauern gesprochen, die sich Mühe geben, es anders zu machen. Es richtig zu machen, wie sie immer wieder betonen. Er hat Interviews mit Mitarbeitern von Schlachtbetrieben gelesen, die über Grausamkeiten berichten, die von einer unfassbaren Verrohung zeugen und die nun wirklich kein Konsument wollen kann, egal, wie billig das Fleisch dadurch wird. Sein Ergebnis aus dreijähriger Recherche und Arbeit an diesem Buch ist: Kein Verbraucher will diese Form der Massentierhaltung, aber alle unterstützen sie, mit jedem Einkauf und jeder Bestellung im Restaurant. Weil viele die Fakten nicht kennen und einige sie ignorieren.

Foer berichtet einfach. Er moralisiert nicht und er empfiehlt nichts. Er sagt niemandem, dass er Vegetarier sein soll. Aber er verlangt von jedem, der einkauft oder isst (also allen), dass er oder sie sich die Frage stellt, was eigentlich hinter den Lebensmitteln steckt und ob es eine bessere Alternative geben könnte. Es macht keinen Spaß, dieses Buch zu lesen (oder zu hören), außer vielleicht wenn man VeganerIn ist. Dann kann man sich freuen, dass man an diesen ganzen Grausamkeiten nicht beteiligt ist. Trotzdem und gerade deswegen sollte man es lesen. Nicht, weil man unbedingt vegan leben muss, aber weil man sich hin und wieder mal klar machen sollte, welchen Preis unser Essen hat, abgesehen von dem unschlagbar günstigen, der am Regal steht.


Jonathan Safran Foer: Tiere essen. Random House Audio 2010. Gelesen von Ralph Caspers. ca. 270 Minuten, ca. € 13,95. Deutsche Erstausgabe: Kiepenheuer & Witsch 2010. Übersetzt von Isabel Bogdan, Ingo Herzke und Brigitte Jakobeit. Originalausgabe: Eating Animals. Little, Brown & Co 2009.

Marin Trenk: Döner Hawaii – unser globalisiertes Essen

doenerhawaiiMarin Trenk hat einen Lehrstuhl für Ethnologie in Frankfurt am Main inne und befasst sich mit Food-Ethnologie. Essens-Globalisierung teilt er in drei große Wellen. Erst kommen unverarbeitete, einzelne Lebensmittel in andere Kulturen, wie beispielsweise die Kartoffel einst nach Europa kam. Ihnen folgen, häufig im Zuge des Kolonialismus, einzelne Gerichte, wie zum Beispiel die in England immer noch so  beliebten Currys. Und schließlich werden, vor allem durch Migration, ganze Küchen exportiert. In aller Regel müssen die neuen Küchen sich den bereits vorhandenen Kulturen anpassen, weswegen, wie jedem klar sein dürfte, die H19 beim Asia-Imbiss Mekong mit originaler chinesischer Küche nicht mehr viel zu tun hat.

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