Mit der Aussage, dass Hartz IV nicht Armut bedeute, hat Jens Spahn sich vor einigen Wochen in die Herzen der Republik katapultiert und eine Diskussion darüber ausgelöst, was Armut in Deutschland eigentlich bedeutet. Dieser Frage widmet sich Kathrin Hartmann auch in ihrem Buch mit dem Untertitel „die neue Armut in der Konsumgesellschaft“. Armut in Deutschland ist im internationalen Vergleich noch relativ harmlos. Auch wer nur sehr wenig Geld hat, hat Zugang zu einer medizinischen Versorgung und Bildungseinrichtungen, die vergleichsweise gut aufgestellt sind. Und unter der absoluten Armutsgrenze von derzeit 1,25 $ liegt in Deutschland wohl kaum jemand, selbst dann nicht, wenn man Geld nur erbetteln kann.
Armut ist allerdings bei sehr vielen Menschen auch mit großer Scham verbunden. Es ist peinlich, sich bei der Tafel anstellen zu müssen, weil das Geld für Lebensmitteleinkäufe mal wieder nicht reicht. Kein Geld zu haben für neue Kleidung, einen Kinobesuch oder um mit Freunden essen zu gehen, bedeutet von vielen gesellschaftlichen Bereichen ausgeschlossen zu sein. Nichts davon braucht man zum Überleben, aber man braucht es eben als Teil eines „normalen Lebens“, als Teil einer gesellschaftlichen Teilhabe. Zudem kritisiert Hartmann Projekte, bei denen es nur vordergründig um eine Annäherung zwischen Armen und Wohlhabenden geht, wie das ihrer Erfahrung nach beispielsweise bei der Tafel ist. Hier finden die gesellschaftlichen Schichten nicht zueinander, es ist ein Austeilen von Almosen durch Reiche an Arme, von denen erwartet wird, dass sie dankbar annehmen, was ihnen angeboten wird.