Women’s Prize for Fiction – Die Longlist 2022

Wie immer am 08. März wurden auch gestern die Bücher bekanntgegeben, die es beim diesjährigen Women’s Prize for Fiction auf die Longlist geschafft haben. Sechzehn sehr verschiedene Bücher, über Freundschaft, Liebe, Krieg und Dystopien, die seit dem letzten Frühjahr in Großbritannien erschienen sind, sind in dieser Auswahl zu finden. Einige eigentlich erwartbare Namen fehlen in diesem Jahr, dafür sind auch einige ganz neue Stimmen dabei. Diese Autorinnen dürfen sich Hoffnung auf den Titel machen:

Lisa Allen-Agostini: The Bread the Devil Knead
Nach außen wirkt Alethea tough und selbstbewusst. Sie ist Managerin einer schicken Boutique und hat ihr Leben scheinbar im Griff. Zu Hause aber leidet sie unter den Misshandlungen ihres Partners, gegen den sie sich nicht wehren kann. Als sie miterlebt, wie eine Frau von ihrem eifersüchtigen Freund umgebracht wird, versteht, dass sie schnell und mutig handeln muss, wenn sie nicht ihre eigene Gesundheit aufs Spiel setzen will.

Lulu Allison: Salt Lick
Englands liebliche Landschaften sind von Büschen überwuchert, verwilderte Kühe ziehen durch die Wälder, die komplette Lebensmittelproduktion ist ins Ausland verlagert worden. Nur wenige Menschen leben noch außerhalb der großen Städte. Die Kritik lobt diese düstere Dystopie recht einhellig für den einmaligen und gelungenen Stil.

Kirsty Capes: Careless
Bess ist schwanger. Gewollt ist das Kind nicht, und wie sie damit umgehen soll, weiß Bess auch noch nicht. Bedingungslose Liebe hat sie in ihrem Leben nie erfahren und ihre ersten Ansprechpartner sind ihre Pflegemutter und der ihr zugewiesene Sozialarbeiter, von dem sie wenig hält. Eine Geschichte über ein Leben, das irgendwie durch alle System gerutscht ist.

Catherine Chidgey: Remote Sympathy
Greta Hahn zieht mit ihrem Mann weg aus München und aufs Land. In der vermeintlichen Idylle Buchenwalds soll ihr Mann das dortige KZ verwalten. Greta ist sich im Unklaren darüber, was hinter den Zäunen vor sich geht, bis sie einen der Insassen näher kennenlernt, den ehemaligen Arzt Dr. Lenard Weber.

Miranda Cowley Heller: The Paper Palace
dt. Übersetzung: Der Papierpalast
Elle Bishops Familienhaus „The Paper Palace“ in Cape Cod ist der Ort, an dem Miranda Cowley Heller ihren Roman ansiedelt. Dort begeht Elle einen gewaltigen Betrug und setzt ihr Glück und das ihrer Familie aufs Spiel. In 24 Stunden stellt sie fünfzig Jahre auf den Kopf.

Rachel Elliott: Flamingo
Daniel ist glücklich, als er und seine Mutter in der Vorstadt scheinbar ein neues und endgültiges Zuhause gefunden haben. Doch seine Mutter Eve wird von ihren Geheinissen eingeholt und Daniels ganze Welt bricht wieder zusammen. Dreißig Jahre später kehrt in die Nachbarschaft seiner Kindheit zurück, um einige Fragen endlich zu klären.

Louise Erdrich: The Sentence
Flora, die nervigste Kundin eines kleinen Buchladens, stirbt im November 2019. Ein ganzes Jahr lang geht ihr Geist noch in ihrer Stammbuchhandlung um. Tookie, die gerade erst angefangen hat, dort zu arbeiten, muss einen Weg finden mit diesem Geist umzugehen, während ganz Minneapolis und die ganze Welt und der Last einer Pandemie ächzt.

Morowa Yejidé: Creatures of Passage
Nephthys kennt sich aus mit Geistern. Seit der Ermordung ihres Bruders ist das Leben nicht mehr das gleiche. Als Jahre später einer ihrer Großneffen anfängt, mit einem mysteriösen Mann am Fluss zu sprechen, dem Fluss, in den die Leiche ihres Bruders geworfen wurde, muss sie sich ihrer Familie und den Qualen ihrer Vergangenheit stellen.

Violet Kupersmith: Build Your House Around My Body
Kupersmith ist in diesem Jahr mit ihrem Debüt-Roman nominiert. Sie erzählt darin die Geschichte zweier vietnamesischer Frauen, die mehr als zwanzig getrennt voneinander scheinbar spurlos verschwinden. Auch, wenn es auf den ersten Blick unwahrscheinlich erscheint, sind ihre Schicksale durch die Geschichte ihres Landes miteinander verbunden.

Meg Mason: Sorrow and Bliss
dt. Übersetzung: Was wir wollen
Martha hat das ungeheure Glück, jeden Tag an der Seite eines sie liebenden Mannes zu verbringen. Zumindest sagen ihr alle, dass das Glück ist. Martha aber hadert gewaltig mit ihrem Leben. Ist sie zu sensibel? Stimmt irgendwas nicht mit ihr? Mit fast vierzig beschließt sie, dass sie nun noch eine Chance hat, ihr Leben zu ändern und auf den richtigen Kurs zu bringen. Und die will sie unbedingt nutzen.

Charlotte Mendelson: The Exhibitionist
Ray Hanrahan is ein großes Künstler und nun steht die wichtigste Ausstellung seiner Karriere an. Seine Kinder reisen extra an und natürlich ist auch sine Frau Lucia dabei. Sie selbst ist Künstlerin, stellt ihr Schaffen aber seit Jahren zurück, um Mutter und Ehefrau zu sein. Doch langsam wird ihr das zu wenig. Was, wenn sie sie nicht mehr bereit ist, ihr Licht unter den Scheffel zu stellen?

Ruth Ozeki: The Book of Form and Emptiness
dt. Übersetzung: Die leise Last der Dinge, erscheint im September 2022
Nach dem Tod seines Vaters beginnt Benny, Stimmen zu hören. Die Dinge beginnen, mit ihm zu sprechen. An vielen Tagen überwältigt ihn die neue Stimmenvielfalt in seiner Welt. nur in der örtlichen Bücherei scheint es besser zu werden. Dort triff er auf einen verschrobenen Künstler mit seinem Frettchen, der Benny hilft, herauszufinden, worauf er wirklich hören sollte.

Leone Ross: This One Sky Day
Die fiktive karibische Insel Popisho ist wirklich ein magischer Ort. Die Bewohner*innen haben Zauberkräfte, können durch Wände gehen oder mit Katzen sprechen. Die Macht liegt in den Händen eines Frauenrats. Ein magisch-realsistischer Roman unter einem einmaligen Himmel.

Elif Shafak: The Island of Missing Trees
dt. Übersetzung: Das Flüstern der Feigenbäume
1974 werden die Freunde Kostas und Defne von der Politik getrennt, ihre Heimat Zypern in zwei Teile gerissen. Nur in einer Taverne in einer Grenzstadt können sie sich noch treffen. In ihrer Mitte steht ein uralter Feigenbaum. Viele Jahre später macht sich Ada, die in London aufgewachsen ist, auf die Suche nach Spuren in der Heimat ihrer Eltern, mit der sie nur einen Feigenbaum in Verbindung bringt.

Maggie Shipstead: The Great Circle
dt. Übersetzung: Kreiseziehen, erscheint im Juni 2022
Marian Graves Herz gehört der Fliegerei. Freiheit und Gefahr sind die treibenden Kräfte ihres Lebens, die Liebe ist ihr relativ egal. Nun steht ihr größter Triumph bevor: Ein Flug von Pol zu Pol. Doch der große Traum endet mit einer Bruchlandung im ewigen Eis.

Dawnie Walton: The Final Revival of Opal & Nev
Opal, jung, schwarz, Punk-Musikerin glaubt fest an ihren Durchbruch, auch wenn das New York der frühen 70er nicht der ideale Ort zu sein scheint. Doch in Nev findet sie einen erfahrenen Musiker und entschiedenen Fürsprecher ihrer Fähigkeiten. Als bei einem Konzert eine rivalisierende Band die Konföderieren-Flagge hisst, eskaliert die Situation.

Ich habe das Gefühl, dass in diesem Jahr relativ viele Titel auf der Liste stehen, deren Fokus eher auf dem Privaten liegt, dem eigenen Erleben und der Familie. Der Eindruck mag natürlich auch täuschen, aber es wäre auch nicht verwunderlich, wenn Romane, die in den letzten beiden Jahren entstanden sind, wenig von der weiten Welt erzählen. Aber auch historische Stoffe jenseits des 20 Jahrhunderts fehlen ganz, ebenso wie die Neuerzählungen klassischer Stoffe, die in den letzten Jahren so populär waren. Für mich ist in diesem Jahr auf jeden Fall nicht viel dabei, das mich haus dem Stand begeistern würde. Remote Sympathy klingt für mich, die ich ja nun auch eine ewige Wut auf den Jungen im gestreiften Pyjama habe, ganz schrecklich. Salt Lick hingegen ist sofort auf meine Leseliste gewandert. Auch einige andere Titel wie Creatures of Passage oder The Bread the Devil Knead klingen ganz spannend. Wie so oft habe ich aber noch keines der Bücher gelesen. Wie sieht es bei euch aus? Könnt ihr schon was von der Liste empfehlen? Oder freut ihr euch auf eins schon ganz besonders?

Weiter geht es übrigens mit der Verkündung der nur noch sechs Titel umfassenden Shortlist, die am 27. April stattfinden wird.

8 Gedanken zu “Women’s Prize for Fiction – Die Longlist 2022

  1. soerenheim 9. März 2022 / 9:30

    hab noch keinen davon gelesen, aber Erdritch hat trotz umfangreichem Gesamtwerk erst einmal einen schwächeren Text abgeliefert, wobei natürlich das Pandemiethema es leicht macht, zu stolpern…

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    • schiefgelesen 9. März 2022 / 17:07

      Ich finde Erdrich auch eigentlich ne sichere Bank, aber die Story kann mich jetzt nicht spontan begeistern. Ich würde mich im Zweifel vom Gegenteil überzeugen lassen.

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  2. Alexander Carmele 9. März 2022 / 18:23

    Man hat gar keine Chance, diese ganzen Bücher zu lesen. Ich stecke noch mitten drin in dieser Leipziger Buchmesse-Preis Shortlist und da sind die nächsten Listen. Ich lasse mich einfach mal von dir überzeugen, welches Buch in Frage kommt – die Auswahl scheint vielversprechend. Am liebstem mag ich ja stilistisch anstrengende Romane, es kann sprachlich eigentlich gar nicht verrückt und verschroben genug sein. Von realistischen Romane habe ich schnell die Nase voll. Ruth Ozeki: „The Book of Form and Emptiness“ spricht mich irgendwie an. Ich werde mir mal eine Leseprobe zusenden lassen. Viele Grüße.

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    • schiefgelesen 9. März 2022 / 19:25

      Ja, ich habe es auch aufgegeben, da immer hinterher kommen zu wollen. In drei Wochen kommen ja wahrscheinlich eh schon die Mails zum Herbstprogramm.
      Sprachlich Ausgefallenes lese ich auch sehr gerne! Vielleicht ist ja hier noch was dabei. Wenn ja, erfährst du es 🙂

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  3. letteratura 10. März 2022 / 7:08

    Ich kenne Was wir wollen und fand es großartig.

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