Heute morgen wurde die Longlist des 25. Women’s Prize for Fiction (Ex Orange Prize) veröffentlicht. In der Jury sind in diesem Jahr Martha Lane Fox, Scarlett Curtis (Autorin und Gründerin von The Pink Protest), Melanie Eusebe (Mitgründerin des Black British Business Award), Viv Groskop (Comedian und Journalistin) und Paula Hawkins, am bekanntesten sicher durch Girl on the Train. Und das hier sind die 16 Titel, die aus 152 Einreichungen ausgewählt wurden:
Deepa Anappara: Djinn Patrol on the Purple Line
Die „Djinn Patrol“ besteht aus drei neunjährigen Kindern. Sie gründen die Gruppe, als ein Junge aus ihrer Schule scheinbar spurlos verschwindet und die Autoritäten sich hilflos zeigen. Sie beginnen auf dem Basar der Stadt und weiten ihre Suche immer weiter aus, bis es auch für sie gefährlich wird. Anappara thematisiert vor diesem Hintergrund die aktuellen Bewegungen und Schwierigkeiten der indischen Gesellschaft.
deutsche Übersetzung: Die Detektive vom Bhoot-Basar. Rowohlt, März 2020.
Taffy Brodesser-Akner: Fleishman is in Trouble
Toby Fleishman lebt als glücklicher Single. Die Kinder sind bei Ex-Frau Rachel, er ist beruflich erfolgreich und auf Singlebörsen ein gesuchter Mann. Doch dann beschließt Rachel, dass sie jetzt lange genug alleinerziehend war und bringt die Töchter beim Vater unter. Egoistisch stellt sie ihre Karriere über die eigenen Kinder – so zumindest sieht es Toby, der auf einmal mit zwei Teenager-Töchtern konfrontiert ist, deren Bedürfnisse er irgendwie mit seinem eigenen Leben unter einen Hut bringen soll.
deutsche Übersetzung: Fleishman steckt in Schwierigkeiten. dtv, April 2020.
Candice Carty-Williams: Queenie
Für die gleichnamige Protagonistin dieses Romans läuft gerade alles nicht so gut. Ihr Job bei einer Zeitung ist unterbezahlt und eintönig, ihre Beziehung bröckelt und die jamaikanische Bäckerei, bisher ihr Fels in der Brandung, wird zum austauschbaren Burger-Laden. Zwischen Affären und Zusammenbrüchen muss Queenie den Weg zu sich selbst finden.
deutsche Übersetzung: Queenie. Blumenbar, Oktober 2020.
Angie Cruz: Dominicana
Ana Cancion wächst in Dominica auf. Alle ihre Freundinnen träumen davon, eines Tages in Amerika leben zu können. Ana hat zwar keine derartigen Pläne, sagt dann aber doch ja, als der deutlich ältere Juan ihr einen Heiratsantrag macht und verspricht, sie mit nach New York zu nehmen. Zu groß ist die Chance für die ganze Familie. In New York lebt sie einsam und isoliert, bis Juan sie alleine lässt, um Geschäfte in Dominica zu regeln. Auf einmal entdeckt Ana die unbegrenzten Möglichkeiten ihrer neuen Heimat.
deutsche Übersetzung: –
Anne Enright: Actress
Enright ist keine Unbekannte beim Women’s Prize for Fiction. Schon 2012 und 2016 stand sie mit The Forgotten Waltz und The Green Road auf der Shortlist. Ihr neuer Roman handelt von Katherine O’Dell, einer Schauspielerin, die es von irischen Provinz-Bühnen auf die großen Leinwände geschafft hat. Doch ihr Leben hatte auch Schattenscheiten, unter denen vor allem ihre Tochter Nora zu leiden hatte, die in diesem Roman davon erzählt.
deutsche Übersetzung: Die Schauspielerin. Penguin, März 2020.
Bernardine Evaristo: Girl, Woman, Other
Evaristo erzählt in diesem Roman zwölf Geschichten von Frauen, die auf den ersten Blick wenig miteinander zu tun haben, aber doch alle miteinander verwoben sind. In Girl, Women, Other spricht die Autorin aktuelle Themen an und macht vor allem Schwarze Frauen zu den Heldinnen ihrer Geschichten. Der Roman ist, zumindest in meiner Wahrnehmung, einer der am meisten rezensierten und diskutierten englischsprachigen Romane der letzten Monate, spätestens seitdem er mit dem Booker Prize 2019 ausgezeichnet wurde.
deutsche Übersetzung: Mädchen, Frau etc. Tropen, Januar 2021.
Luan Goldie: Nightingale Point
Nightingale Point ist ein trister Block von Sozialwohnungen in England. Das eintönige Leben der Bewohner*innen wird jäh erschüttert, als ein Flugzeug in das Gebäude stürzt. Goldie lehnt die Handlung ihres Romans an ein Unglück an, das sich 1992 in Amsterdam ereignete. Dort stürzte eine Maschine einer israelischen Fracht-Airline in den Wohnblock Bijlmer.
deutsche Übersetzung: –
Natalie Haynes: A Thousand Ships
Die Frauen der griechischen Tragödien und Epen erhalten in den letzten Jahren nie dagewesene Aufmerksamkeit. Schon im letzten Jahr waren mit Pat Barkers The Silence of The Girls und Madeline Millers Circe zwei Romane auf der Shortlist, die sich den Frauen der Antike widmeten. Nun nimmt sich Haynes die Ilias vor und bringt die Frauen in den Vordergrund.
deutsche Übersetzung: –
Jing-Jing Lee: How We Dissapeared
Die aus Singapur stammende Autorin erzählt in ihrem Roman von Wang Di, einer alten Frau, die sich an die Zeit erinnert, als sie von der japanischen Armee entführt und als „comfort woman“ festgehalten wurde.
deutsche Übersetzung: –
Claire Lombardo: The Most Fun We Ever Had
Vier Töchter hat das Ehepaar Sorenson, das auch nach vielen Jahren Ehe noch immer uneingeschränkt glücklich miteinander zu sein scheint. Ihren Töchtern geht es da anders. Gemessen am strahlenden Vorbild ihrer Eltern sind alle ihre Lebensentwürfe eher zweitklassig. Ein plötzlich wieder auftauchendes Kind, das eine der Schwestern vor langem zur Adoption freigegeben hatte, macht das Familiengefüge nicht eben stabiler.
deutsche Übersetzung: Der größte Spaß, den wir je hatten. dtv, September 2019.
Hilary Mantel: The Mirror and the Light
Mit diesem Roman beschließt Mantel die ambitionierte Cromwell-Trilogie. Die ersten beiden Teile, Wolf Hall und Bring Up the Bodies brachten ihr 2010 und 2013 jeweils eine Shortlist-Platzierung ein. Der Roman setzt 1536 ein, direkt nach Boleyns Hinrichtung, und wird wohl unweigerlich mit der von Cromwell enden, ohne jetzt zuviel verraten zu wollen.
deutsche Übersetzung: Spiegel und Licht. DuMont, März 2020.
Edna O’Brien: Girl
O’Brien schildert in diesem Roman das Schicksal eines nigerianischen Mädchens, das von Boko Haram entführt wird. Gemeinsam mit einer Leidensgenossin gelingt ihr die Flucht, aber der Weg zurück in die Normalität ist schwer.
deutsche Übersetzung: Das Mädchen. Hoffmann und Campe, März 2020.
Maggie O’Farrell: Hamnet
Agnes ist eine außergewöhnliche Frau, die sich mit Pflanzen und Heiltränken auskennt. Doch trotz ihrer Fähigkeiten kann sie nicht verhindern, dass 1596 ihr elfjähriger Sohn Hamnet stirbt. Ihr Mann wird ihm vier Jahre später mit „Hamlet“ ein literarisches Denkmal setzen.
deutsche Übersetzung: Judith und Hamnet. Piper, Oktober 2020.
Jenny Offill: Weather
Lizzie arbeitet in einer Schulbücherei. Das aber fast nur nebenbei. Viele Zeit opfert sie dafür, die Fragen der Hörer*innen des Podcasts „Hell and High Water“ zu beantworten, in dem es um das klimabedingte Ende der Menschheit geht. Sie selbst sieht das Ende nahen, hält aber tapfer durch, denn sie muss sich auch noch um ihren drogenabhängigen Bruder kümmern.
deutsche Übersetzung: –
Ann Patchett: The Dutch House
Patchett ist eine feste Größe beim Women’s Prize for Fiction. Bereits zwei mal, 1998 und 2002, stand sie mit The Magician’s Assitant und Bel Canto auf der Shortlist, mit letzterem gewann sie sogar.
Nun ist sie mit einem Familienroman erneut nominiert. Cyril ist stolz, als sich sein großer Traum von der Villa am Stadtrand endlich erfüllt. Leider ist seine Frau von dem neuen Haus mit all seinem Prunk gar nicht beeindruckt und zieht schließlich aus. Überfordert mit den Töchtern sucht Cyril sich bald eine neue Frau, die eigene Kinder mit in die Ehe bringt und sofort danach strebt, das Erbe für den eigenen Nachwuchs zu sichern.
deutsche Übersetzung: Das Holländerhaus. Berlin Verlag, Juni 2020.
Jacqueline Woodson: Red at the Bone
An einer Feier zu Ehren der sechzehnjährigen Melody hängt Woodson eine ganze Familiengeschichte auf und zeigt, wie Familie und Gesellschaft die Entscheidungen junger Menschen beeinflussen. Und das nicht immer zum Guten.
deutsche Übersetzung: –
Das sind sie also, die 16 Titel, die Chance haben, den mit 30.000 Pfund dotierten Preis zu gewinnen. Am 22. April wird die Shortlist veröffentlicht, am 3. Juni wird dann die Gewinnerin bekanntgegeben. Ich ziehe mit der im April erscheinenden 25. Shortlist übrigens einen Strich unter mein Leseprojekt. Ein Viertel Jahrhundert reicht dann auch. Die diesjährige Shortlist aber werde ich noch komplett lesen und das Projekt bringe ich auf jeden Fall auch noch zu Ende, das wahrscheinlich aber erst im nächsten Jahr.
Wie fast immer habe ich noch keinen einzigen der Titel gelesen, ich hänge noch zu sehr an den letzten Jahren fest, einige stehen aber bereits auf der Leseliste. Mit Girl, Woman, Other hatte ich gerechnet, ebenso mit Hilary Mantel und Girl. Was mich wundert ist das erneute Fehlen von Atwood, die über Jahre einen festen Platz auf den Listen hatte. Aber so schaffen es, neben einigen alten Bekannten, auch mal neue Namen auf die Liste, die sicher auch einiges zu bieten haben.
Kennt ihr denn schon eins von den Büchern? Fehlen Bücher auf der Liste, die ihr unter den Nominierten gesehen hättet? Und wen würdet ihr auf die Shortlist setzen?
Die Übersetzungen sind Stand 3. September 2020 und werden nicht mehr aktualisiert.
Für mich ist dieses Jahr außer A Thousand Ships und Mantel leider nicht viel dabei. „Girl“ landet eventuell noch auf meiner Liste. Ansonsten mal sehen.
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