„Das wird man ja wohl noch sagen dürfen!“ – zur Session beim Literaturcamp Hamburg

Am Samstag habe ich auf dem Literaturcamp in Hamburg eine Session über rechte Verlage gehalten. Exemplarisch habe ich an den Beispielen Antaios, Kopp und Manuscriptum gezeigt, wie Verlage vom rechten Rand es schaffen, in die Mitte des Buchmarkts zu drängen und den Diskurs über einige politische Themen stark zu beeinflussen. Ich dachte zwar, dass das nach der letztjährigen Buchmesse eigentlich schon ein alter Hut ist, ein vollbesetzter Raum hat aber das Gegenteil gesagt. Die 20 Minuten Diskussionszeit am Ende haben auch dann nicht gereicht, als wir sie um zehn Minuten überzogen haben. Offenbar gibt es da eine Menge Rede- und Informationsbedarf. Weil von so vielen Seiten wirklich konstruktiver und guter Input kam, habe ich hier nochmal ein paar Punkte und Argumentationen ausgeführt, die in der Session einfach zu kurz kamen oder nicht zu Ende ausformuliert werden konnten. Danke, dass ihr da wart, ihr wart großartig und ich hätte mich sehr gerne noch länger mit euch unterhalten! (Wer hier seinen Input wiedererkennt und genannt/verlinkt werden möchte, meldet sich bitte unbedingt! Ich war so geflashed von der Riesendiskussion, dass ich am Ende nicht mehr sicher sagen konnte, wer was gesagt hat)

Wie gehen Buchhandlungen mit Titeln rechter Verlage um?

Einige Buchhandlungen haben für sich entschieden, Titel bestimmter Verlage oder AutorInnen nicht auf ihren Flächen zu präsentieren, wenn sie den moralischen Werten der Belegschaft massiv widersprechen. Vor allem bei Titeln, die auf der Bestsellerliste stehen, haben viele Buchhandlungen Bedenken, weil diese Listen von vielen Leuten als Empfehlung wahrgenommen werden.

Ein prominent gewordenes Beispiel ist thalia, die massiver Kritik ausgesetzt waren, nachdem Bücher des Kopp-Verlags auf Tischen präsentiert wurden. Mittlerweile werden in (einigen?) Filialen Bestsellerplatzierungen bestimmter Titel durch einen Platzhalter ersetzt, auf dem darauf hingewiesen wird, dass man das Buch nicht im Laden präsentiert.

Meiner Erfahrung nach aber sind die meisten Buchhandlungen bereit, auf Nachfrage auch Titel zu bestellen, die sie lieber nicht im Laden stehen haben wollen.

Aber ist das nicht Zensur?

Nein. Zensur geht von öffentlichen Stellen aus. Sie greift, wenn rechtswidrige Inhalte veröffentlicht werden (sollen). Ein Werk, das komplett unter die Zensur fällt, muss nicht nur aus dem Vertrieb genommen sondern vollständig vernichtet werden. Sind nur einzelne Passagen eines Werks bedenklich, können diese herausgeschnitten oder bei Printprodukten geschwärzt werden. Danach kann das Produkt i.d.R. weiter vertrieben werden. Entscheidet eine nicht-staatliche Stelle ein Produkt nicht zu präsentieren oder nicht zu verkaufen, ist das keine Zensur sondern einfach eine Sortimentsentscheidung.

Aber in diesem Land herrscht doch angeblich Meinungsfreiheit!

Das stimmt und bedeutet, dass jede Person ihre Meinung frei äußern kann, sofern sie nicht gegen Gesetze verstößt. Sie darf aber selbstverständlich gegen die Meinung der regierenden Partei(en) verstoßen. Schwierig wird es natürlich, wenn eine Aussage gegen geltendes Recht verstößt. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn Volksverhetzung festgestellt wird oder Persönlichkeitsrechte verletzt werden. In diesem Fall muss die meinungsäußernde Person u. U. mit einer Strafe rechnen. Meinungsfreiheit bedeutet nicht, dass jede Person zu jeder Zeit ihre Meinung in die Welt brüllen darf und gehört werden muss. Wirte können beispielsweise Gästen Lokalverbot erteilen, man darf Leute bitten endlich mal die Klappe zu halten und Buchhandlungen können entscheiden, beliebige Titel nicht im Sortiment zu haben.

Die Kunden können ja wohl selbst entscheiden, was sie lesen wollen.

Klar können sie und das machen sie am Ende ja auch. Für einen ganz überwiegenden Teil der Bevölkerung ist der Buchhandel weder die erste noch die einzige Quelle um sich über Neuerscheinungen oder Bücher zu einem bestimmten Thema zu informieren. Zudem sind die allermeisten Buchhandlungen auch durchaus bereit, für KundInnen Bücher zu bestellen, die sie nicht im Laden liegen haben. Und wer in einer Buchhandlung das gewünschte Buch nicht bekommt geht halt zur nächsten oder bestellt im Internet.

Es geht nicht darum, dass Menschen ihre Bücher nicht haben sollen, sondern darum, dass vielen Menschen überhaupt nicht bewusst ist, wer oder was hinter einem Verlag steckt. Für BloggerInnen mag das unwahrscheinlich scheinen, aber es gibt da draußen eine Menge Menschen, die gerne lesen, aber überhaupt nichts über Verlage wissen. Wenn auf einem Tisch Bücher von fünf verschiedenen Verlagen liegen, ist es für die meisten Menschen in einem Buchladen nicht ersichtlich, wie vertrauenswürdig oder möglicherweise tendenziös die Inhalte jeweils sind. Die wenigsten werden sich die Mühe machen, das im Laden vor dem Kauf zu recherchieren. Zudem gilt für viele Menschen immer noch, dass das, was zwischen zwei Buchdeckeln steht, wahr ist. Viele hinterfragen die Inhalte nicht und kommen schon gar nicht auf die Idee, einzelne Fakten nochmal selber zu recherchieren oder auf Plausibilität zu überprüfen. Gleiches gilt für Sonderpräsentationen etwa in Form von Tischen. Auch diese werden als besondere Empfehlung der Buchhandlung wahrgenommen und geschätzt.

Es gefällt mir nicht, dass in einer Buchhandlung Bücher rechter Verlage/Autoren präsentiert werden. Was kann ich als Kundin/Kunde machen?

Supergute Frage. Leider nicht sehr viel. Natürlich kann man vor Ort die MitarbeiterInnen ansprechen und darauf hinweisen, dass man das schwierig findet. Gerade bei großen Filialisten ist es oft sinnvoller, sich direkt an die Geschäftsleitung zu wenden, da die Leute in den Filialen selbst nur sehr wenig Entscheidungsfreiheit haben. Man kann sich auch entscheiden, aufgrund der Sortimentspolitik nicht mehr in dieser Buchhandlung einzukaufen. Das sollte man dann aber auch mitteilen, sonst verhallt der Protest gänzlich ungehört. Meistens ist so etwas leider nur effektiv, wenn eine größere Menge sich diesem Protest anschließt, wie es z.B. bei thalia der Fall war.

Natürlich lässt sich das auch umkehren: wenn ihr vor Ort mehrere Buchhandlungen zur Auswahl habt, guckt euch das politische Sortiment an und kauft dann da ein, wo ihr euch am wohlsten fühlt. Wenn es dieses Angebot vor Ort nicht gibt, lassen sich mit ein wenig Recherche engagierte Buchhandlungen finden, die weiter weg sind, aber einen Onlineshop haben und sich über den Umsatz freuen.

Ein Vorschlag war auch, im Buchladen einfach andere Bücher davor zu stellen oder oben auf den Stapel zu legen. Das hat zumindest kurzfristigen Erfolg, dauert fünf Sekunden und tut keinem weh. Und je nachdem was man davorräumt macht es vielleicht sogar noch Spaß.

Ansonsten hilft nur Aufklärung. Wie oben schon gesagt, ist vielen Menschen nicht klar, welche Ideologie hinter manchen Büchern steckt. Sagt es ihnen. Sagt es euren Freunden, eurer Familie und wenn ihr einen Blog habt, sagt es der Welt. Und bleibt selbst informiert, z.B. über den Blog Kopp Verlag Watch. Und immer schön wütend bleiben!

Können die anderen Verlage was machen?

Auch eine supergute Frage. Titel rechter Verlage sind oft so erfolgreich weil sie unter reißerischen Titeln einfache Antworten liefern. Da können und wollen andere Verlage oft nicht „mithalten“, zumindest was Impulskäufe angeht. Auch das radikale und öffentlichkeitswirksame Auftreten bei Buchmessen dürfte von den wenigsten Verlagen als nachahmenswert empfunden werden. Wobei ich schon gerne mal sehen würde, wie der Schmetterling-Verlag austickt.

Positionieren aber können sich alle Verlage, auch wenn sie selbst kein politisches Sachbuch im Programm haben. Einige Verlage haben sich zu diesem Zweck der Initiative Verlage gegen rechts angeschlossen, die auf Buchmessen präsent ist und verschiedene Veranstaltungen organisiert.

11 Gedanken zu “„Das wird man ja wohl noch sagen dürfen!“ – zur Session beim Literaturcamp Hamburg”

  1. Was,wenn ich (was nicht der Fall ist,aber angenommen) gegen Linke Verlage und deren Bücher bin? Mit Verlaub, an dieses Thema so heranzugehen ist diskriminierend. Der Inhalt muss entscheiden,nicht eine scheinbare oder tatsächliche Ausrichtung eines Verlags. Sonst kommen wir bald wieder zu Slogans wie „Kauft nicht bei….“ Das brauchen wir nicht mehr. Politischer Diskurs, Meinungsbildung und Äußerung benötigen alle zulässigen Sichtweisen. Wenn man also sagt : gegen Rechtsradikalismus und Rassismus,dann eindeutig ja. Aber die politische Rechte und demokratische Mitte hat die gleiche Daseinsberechtigung wie die Linke. Auch hat ein Teil der Bevölkerung nicht das Recht Buchhandlungen vorzuschreiben oder auf sie Druck auszuüben um eine bestimmte Meinung und deren Veröffentlichungen als allgemeingültig darzustellen. Ich mag kleine Buchhandlungen die inhabergeführt und bunt sind, aber auch große zb Thalia Läden mit viel Fläche und breiter Auswahl. Auch an Dingen, die ich nicht teilen kann. Das macht das Leben jedoch interessant;andere Standpunkte, fremde Welten und Geschichten. Sehe ich immer nur, was ich kenne und höre nur was ich selbst auch sage, ist das öde und langweilig. Vielfalt bedeutet auch, manches auszuhalten. Klare Grenze ist immer das Gesetz und der Anstand. Beides lässt-noch- ein weites Feld. Das will ich mir nicht zerstören lassen durch Aktivisten und selbst ernannte Wissende um die Moral für alle.

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    1. Wenn eine hypothetische Person linke Verlage blöd findet und Bücher linker Verlage in Buchhandlungen liegen sieht, kann sie der Buchhandlung sagen, dass sie das blöd findet und dort nicht mehr einkaufen wird. Menschen machen das, ich war dabei. Es gibt auch genug Menschen, die ihren Unmut über die neue Thalia-Entscheidung äußern und das Unternehmen deswegen boykottieren wollen. Das ist legitim. Es ist das Recht eines jeden Konsumenten, ein Unternehmen nicht zu unterstützen, wenn man die Geschäftspolitik Mist findet. Das ist keine Diskriminierung gegen eine Person oder eine Gruppe. Ich kaufe z.B. nicht bei Primark, weil ich deren Geschäftspolitik nicht mag und ich sage das auch anderen Leuten. Primark könnte Aspekte des Geschäftsverhaltens ändern und dann würde ich da vielleicht was kaufen. Das hat Primark natürlich nicht nötig. Denn Primark weiß, dass viele Menschen ihr Verhalten ablehnen, haben aber noch genug, denen es egal ist und da trotzdem kaufen. Wenn ich aber sage „Kauft nichts bei Primark! Die haben grauenvolle Produktionsbedingungen!“ sage ich ja nicht „Kauft nichts bei Iren!“ oder „Arthur Ryan ist ein furchtbarer Mensch und hat unser Geld nicht verdient!“ Das ist ein großer Unterschied.

      Natürlich reden wir von Inhalten, wenn wir von Verlagen reden. Das hängt doch unmittelbar zusammen. Und natürlich reden wir hier von Rechtsextremismus und Rassismus. Ich reg mich hier ja nicht auf, weil jemand gemäßigte Thesen zu konservativen Standpunkten vertritt. Ich weiß nicht, wie sehr du mit den Programmen der genannten Verlage vertraut bist, aber wir reden hier unter anderem von einem Verlag dessen Autoren verbreitet haben, dass die EHEC-Epidemie ein „Fäkalien-Dschihad“ war. Das ist das Informations-Level, auf dem wir uns hier bewegen.

      Es gibt sehr viele Menschen, die meine Ansichten nicht teilen und deren Ansichten ich nicht teile und das ist okay so. Ich glaube, ich kenne keine Person, die alle meine Ansichten teilt. Die sollen alle ihre Bücher schreiben und sie sollen sie verkaufen. Aber hier reden wir nicht von fundierten Beiträgen zu einer Debatte, sondern von einer gezielten Falschinformation und Beeinflussung zugunsten der eigenen Agenda, die jeder tatsächlichen, nachvollziehbaren Grundlage entbehrt.

      Alle weiteren Aspekte beantworten sich, denke ich, durch obenstehenden Text.

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  2. Hallo Marion!
    Danke für den ausführlichen Beitrag, der deutlich aufzeigt, warum das „Zensur“-Geschrei jeder Grundlage entbehrt. Jeder Händler, egal für welche Produkte, setzt sein Sortiment so zusammen wie es ihm passt. Insofern haben Buchhandlungen da nicht nur ihre Freiheiten auszulisten, sondern können meiner Meinung nach auch eine aktivere Rolle spielen. Denn wie du sagst, kennen die meisten Menschen in einer Buchhandlung die Verlage selber nicht und können die ausgelegten Titel nicht einordnen. Wenn manch ein Buchhandlungsmacher sich auf die Argumentation der „mündigen Leser“ zurückzieht, macht er es sich vor diesem Hintergrund zu einfach.
    Beste Grüße, Bettina

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      1. Ui, dank der deutschen Sprache kann ich sowas zusammensetzen 😉 „Buchhändler“ alleine passte an dieser Stelle nicht, weil nicht jeder davon ein Entscheider ist und es zudem nicht nur um kleine inhabergeführte Buchhandlungen geht, sondern auch große Filialen oder mehrere übergreifend.

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  3. Liebe Marion,
    herzlichen Dank nochmal für die wirklich spannende Session, die mir definitiv die Augen geöffnet hat, zukünftig noch genauer hinzuschauen, wie das gesamte Verlagsprogramm aussieht, und diese Verlage auch nicht mit dem Kauf ihrer anderen Titel zu unterstützen. Ich fand den Input, den wir von der erhalten haben großartig.
    Viele Grüße
    Yvonne

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