Haruki Murakami: Kafka am Strand

Mit Kafka am Strand habe ich es schon mal versucht, das ist zehn Jahre her und ich habe es auf Englisch gelesen und, fürchte ich, nur die Hälfte verstanden. Nun also ein zweiter Anlauf.

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Murakami erzählt die Geschichte des 15-jährigen Kafka Tamura, der eigentlich anders heißt, sich aber diesen Namen gegeben hat, der übersetzt Krähe bedeutet. „Krähe“ ist dann auch so ein Art Alter Ego für ihn, der an wichtigen Punkten der Geschichte auftaucht, Ratschläge gibt und Kafkas Verhalten kritisch hinterfragt. IN GROSSBUCHSTABEN. Kafka hofft, der stärkste Fünfzehnjährige der Welt zu werden, denn er kämpft hart gegen eine ödipale Prophezeiung, die sein Vater ihm gemacht hat – er wird seinen eigenen Vater töten und sich mit Mutter und Schwester vereinigen. Letzteres wird dadurch verkompliziert, dass Kafkas Mutter mit seiner Schwester abgehauen ist, als Kafka noch klein war. Er hat an keine der beiden eine Erinnerung und nur von seiner damals noch sehr jungen Schwester kennt er ein Foto.

Eines Tages also läuft Kafka von zu Hause weg und fährt nach Takamatsu auf der Insel Shikoku. Und ab da nehmen einige sehr mysteriöse Dinge ihren Lauf. In Oshima, der in einer Bücherei arbeitet, findet Kafka einen Helfer und Freund, dem er sich anvertrauen kann. Doch bei aller Hilfe kann er sich nie sicher sein, ob er dem ödipalen Fluch entkommen kann.

Der Roman ist stark von mysteriösen, magisch-realistischen Themen und Momenten geprägt. Abwechselnd mit Kafkas Geschichte wird die von Nakata erzählt, der als Kind einen Großteil seiner mentalen Fähigkeiten eingebüßt hat, auch das nach einem höchst ungewöhnlichen Phänomen, das trotz zahlreicher Zeugen niemals geklärt werden konnte. Nun lebt er von einer staatlichen Rente, kann mit Katzen sprechen und Fische vom Himmel regnen lassen. Sein Schatten ist nach diesem Ereignis nur noch halb so deutlich, etwas von ihm ist ‚auf der anderen Seite‘ geblieben und es ist die Aufgabe seines Lebens, wieder vollständig zu werden, kein leeres Gefäß mehr zu sein. Diese Mission bringt ihn auch, ohne dass er es weiß, in Verbindung mit Kafka.

„Du kapierst das nicht, aber durch das Verdrehte erhält die Welt erst ihre dreidimensionale Tiefe. Wenn man alles gerade haben will, muss man in einer rechtwinkligen Welt wohnen.“

Kafka am Strand wird mit jeder Seite rätselhafter. Nach und nach erkennt man Zusammenhänge, Geschichten, die sich an einem winzigen und leicht zu übersehenden Punkt berühren. Murakami konstruiert Rätsel nach Rätsel und löst keines richtig auf. Was kein Vorwurf ist – genau das macht den Charme des Romans aus. Was als Identitätssuche eines Junge beginnt, wird zu einem metaphysischen Wahnsinn, der den Lesenden einiges abverlangt. Shintoismus, Beethoven, Pachinko, Colonel Sanders und Johnny Walker werden zu einem bunten Ganzen, in dem die Realität nicht viel zu melden hat. Man kann es sich kaum leisten, unaufmerksam zu werden und Dinge einfach zu vergessen, das kann einem schon beim nächsten Rätsel das Genick brechen. Und wenn man einmal raus ist, das kann ich aus meiner ersten Lektüreerfahrung sagen, kommt auch nicht mehr so leicht rein.

In diesem zweiten Anlauf hatte ich sehr viel Spaß an und mit Kafka am Strand. Bis, das muss ich zugeben, zum letzen Viertel. Ab da wurde es dann für mich zu abgedreht und zu magisch-realistisch. Das kann man nun aber dem Autor nun wirklich nicht anlasten, das ist einfach nicht mein Ding. Wer Spaß an mysteriösen, verschrobenen, komplexen Plots hat, für den ist dieses Buch aber genau das richtige.


Haruki Murakami: Kafka am Strand. Übersetzt von Ursula Gräfe. btb 2006, 15. Auflage.  636 Seiten, € 11,99. Originalausgabe: 海辺のカフカ/Umibe no Kafuka. Shinchosha 2002.

Das Zitat stammt von S. 335

5 Gedanken zu “Haruki Murakami: Kafka am Strand”

  1. Ich habe diese Buch begeistert versclungen und musste feststellen, dass ich kaum noch Erinnerungen daran hatte bis ich deine Rezi gelesen habe. Muss es wohl doch noch einmal lesen. Am besten …am Strand😊

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  2. Ich habe viel Spaß an mysteriösen, verschrobenen, komplexen Plots und habe grade das an dem Buch geliebt 🙂 Es war aber schön deine Perspektive zu lesen, dass man sich manchmal in der Geschichte verliert und verwirrt ist stimmt auf jeden Fall!

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