Ein paar Worte zum Ehrengast Niederlande – Flandern

Seit 1976 gibt es den Ehrengast auf der Buchmesse. Dieses Jahr ist es kein Land, sondern ein grenzübergreifender Sprachraum, nämlich der niederländisch/flämische. Damit schlägt man ja auch ein bisschen eine Brücke zum letztjährigen Gast Indonesien. Ich schätze sowohl die Niederlande als auch Belgien sehr, wegen ihrer Sprache, wegen ihrer Pommes, wegen ihrer Literaturen und wegen ihres Bieres, das viele so abscheulich finden. Auf dem Papier sind die sprachlichen Unterschiede marginal, aber ich habe Niederländisch bei einer Flämin gelernt und brauche Tage, um in den Niederlanden irgendwas zu verstehen. Allerdings versetzen mich meine sprachlichen Grundkentnisse auch in die glückliche Position, in Ostfriesland überhaupt irgendwas zu verstehen.

Viele AutorInnen aus diesem Raum sind auf dem deutschen Buchmarkt schon bestens eingeführt und etabliert. Maarten `t Hart, Leon de Winter, Gerbrand Bakker, Herman Koch, Anna Enquist, Connie Palmen, Margriet de Moor […] sind auf beiden Seiten der Grenze bestens bekannt. Kooperationen bestehen zwischen vielen Verlagen bereits seit Jahren und genügend ÜbersetzerInnen stehen auch bereit. Dementsprechend beachtlich fällt auch die Liste der diesjährigen Neuerscheinungen aus.  Kein bisheriger Ehrengast hat bisher im Vorfeld der Messe so viele übersetzte Neuerscheinungen auf den Markt gebracht, über 450 sind es jetzt schon. Eine Übersicht als pdf kann man auf der Seite der Frankfurter Buchmesse runterladen.

In den Niederlanden gibt es derzeit fast 1.500 Verlage, die müssen allerdings auch Flandern mitversorgen, denn dort gibt es nur 100 registrierte Verlage. Der in Deutschland wahrscheinlich bekannteste unter den niederländischen Verlagen dürfte Querido sein, der 1933 als Exilverlag gegründet wurde. Der Verleger wurde, wie auch seine Frau, 1943 im Vernichtungslager Sobibor ermordet. Die Muttergesellschaft konnte weiterhin verlegen und heute erscheint beim Querido-Verlag ein vor allem literarisches Programm.

 Interessant ist, dass niederländische Titel sich in der Heimat nur relativ geringer Beliebtheit erfreuen. 75% der verkauften Titel sind Übersetzungen, was eine enorme Zahl ist. In Deutschland liegt die Zahl meistens um die 12%, auch wenn man oft den Eindruck hat, es wäre bedeutend mehr. Besonders englische Bücher werden aber auch sehr viel im Original gekauft, ein Markt, der mit 10% Marktanteil eine weit größere Bedeutung hat als in Deutschland. Wer mal in einer niederländischen Buchhandlung war, wird das möglicherweise dankbar bemerkt haben.

Allein aufgrund der Einwohnerzahl und eben auch aufgrund dieser Zusammensetzung ist der Markt für niederländische Bücher bisher recht klein. Die Förderprogramme in Flandern und den Niederlanden fallen entsprechend großzügiger aus, um überhaupt AutorInnen aufbauen zu können, die hauptberuflich schreiben. Zusätzliche Einnahmequellen lieferten in den letzten Jahren vor allem Lizenzverkäufe ins Ausland, die verstärkt forciert werden. In den Jahren 2012 – 2014 konnten die flämischen Verlage durch eine entsprechende Neuausrichtung und Professionalisierung eine Steigerung über 160% erreichen. Vom Auftritt auf der Buchmesse erhofft sich der Ehrengast natürlich eine weitere Steigerung dieser Zahlen. Zuständig für diese Förderungen und auch für den Ehrengast-Auftritt auf der Frankfurter Buchmesse sind der Nederlands letterenfonds und der Vlaams Fonds voor de Letteren.

Ich persönlich wäre ja schon extrem zufrieden, wenn es einfacher würde, in Deutschland niederländische Bücher im Original zu bekommen. Bei Bestellung über den Buchhandel und auch bei den meisten Online-Händlern kommt man selten unter 2-3 Wochen weg. Und das, obwohl ich die Niederlande von hier aus sehen kann. Wäre das Wasser nicht, könnte ich die Bücher zu Fuß schneller holen.

20161001_091111-1.jpgSchon aufgrund der Nähe freue ich mich aber sehr über den Ehrengast und finde das Motto „Dit is wat we delen“ – „Dies ist, was wir teilen“ ganz treffend. Als Einwohnerin einer grenznahen Stadt teile ich mir ja nun wirklich einiges, hin und wieder auch unfreiwillig das Handynetz. Und wie oben schon erwähnt gibt es durchaus auch sprachliche Überschneidungen. Seit ich das erste mal telefonisch die Buchbestellung eines alteingesessenen Südbrookmerländers aufnehmen musste, bin ich sehr dankbar für den Niederländisch-Kurs. Leider werde ich nicht auf der Buchmesse sein können um mir den Auftritt live anzugucken, dafür habe ich mich aber in das Gewinnermotiv des Plakatwettbewerbs verliebt. Absolut perfekt, wo wir doch Seehafenstadt sind und alles! Aber ich durfte den Badewannenmann im Laden nach Kolleginnen-Intervention nicht aufhängen (alle, aber nicht das!!), also hängt der jetzt bei mir im Wohnzimmer, da ist er sowieso besser aufgehoben. Allerdings wurde ich beim skypen gestern tödlich erschreckt, als mein Gesprächspartner fragte, wer denn der nackte Mann hinter mir sei.

Die Daten stammen aus den Dokumenten der Frankfurter Buchmesse über Flandern bzw. die Niederlande.

11 Gedanken zu “Ein paar Worte zum Ehrengast Niederlande – Flandern

  1. Bri 19. Oktober 2016 / 12:44

    Danke für diesen schönen, außergewöhnlichen Beitrag zum Gastland der diesjährigen Buchmesse. Ich habe in letzter Zeit einige niederländische Bücher – natürlich übersetzt ins Deutsche – gelesen und bin begeistert von der immer mitschwingenden Poesie. LG, Bri

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    • Marion 19. Oktober 2016 / 16:49

      Das stimmt. Ich habe die niederländische Literatur erst ziemlich spät entdeckt, schätze sie jetzt aber umso mehr. Jetzt sind ja alle Literaturbeilagen voll mit entsprechenden Empfehlungen – meine Leseliste dankt.

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  2. comp_lit_se 19. Oktober 2016 / 14:34

    Wie schön, dass Du auch niederländisch liest! (Absurd, dass man sich über andere Leser „kleiner“ Sprachen immer so freut, mir geht es jedenfalls so mit Niederländisch, einer Freundin mit Schwedisch). Ich hab Niederländisch erst bei einer Holländerin, dann bei einer Flämin gelernt, ich verstehe also beides gleich gut, mag aber den flämischen Einschlag lieber. Gerade heute habe ich gedacht, dass ich schon länger nichts Niederländisches mehr gelesen habe – aber zur Buchmesse wird es ja hoffentlich Empfehlungen regnen. Vielleicht auch von Dir? Würde mich freuen!
    Liebe Grüße
    Eva

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    • Marion 19. Oktober 2016 / 16:54

      Nachdem ich jetzt so viele begeisterte Besprechungen gelesen habe, will ich gerne „Der Hydrograf“ von Allard Schröder lesen. Ob ich mich da im Original rantraue, weiß ich aber noch nicht. Es fällt mir nicht so ganz leicht, auf niederländisch zu lesen, auch wenn ich es gerne mache und die Sprache echt mag.

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      • comp_lit_se 19. Oktober 2016 / 16:57

        Danke für den Tipp – schaue ich mir mal an. Ich bin auch nicht perfekt im Niederländischen, aber lesen hilft einem ja, besser zu werden. Trau Dich doch! Ich lese ja meistens E-Books, da hat man gleich ein integriertes Wörterbuch.

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        • Marion 19. Oktober 2016 / 17:00

          Das stimmt natürlich! Auf die Idee bin ich selbst gar nicht gekommen.

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      • Bri 20. Oktober 2016 / 17:15

        Der Hydrograf steht auch auf meiner Liste … bin gespannt. Aber ich lese natürlich nicht im Original 😉

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  3. wortsonate 19. Oktober 2016 / 16:46

    Margriet de Moor lese ich gerne, mich hat es auch gefreut das Niederlande Gastland ist.

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  4. Juliane 20. Oktober 2016 / 15:23

    Das ist ein wirklich informativer Beitrag zum Gastland der diesjährigen Buchmesse! Ich finde das Plakat mit dem Mann in der Badewanne auch super. Das wäre doch mal ein Statement für ne Buchhandlung, oder?! 😀

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    • Marion 20. Oktober 2016 / 17:12

      Absolut! Leider habe ich die Befürchtung, dass große Teile der Kundschaft meinen Humor nicht teilen…

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  5. thursdaynext 22. Oktober 2016 / 21:18

    Klasse Plakat, aber des Verständnisses für deine Kolleginnen kann ich mich nicht verwehren

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