Jane Gardam: Eine treue Frau

treuefrau„Heirate mich, Elizabeth. Verlass mich nie. Ich werde dich nie wieder darum bitten. Aber verlass mich nicht. Nie.“

Elizabeth Feathers, genannt Betty, kennt man schon aus Der untadelige Mann, das im letzten Jahr erstmals auf Deutsch erschienen ist. Während der erste Band der Trilogie ihrem Mann gewidmet war, gehört der zweite nun ihr. Wer den ersten Teil gelesen hat, wird sich vielleicht erinnern, dass die Ehe von Edward und Betty sich nicht gerade durch überbordende Leidenschaft, wohl aber durch gegenseitige Achtung und aufrichtige Zuneigung auszeichnet.

Bettys Eltern stammen aus Schottland, sie selbst ist aber in Tianjin geboren und aufgewachsen, hat das Lager in Shanghai überlebt, ist jung verwaist und nahezu mittellos. Nun ist sie auf der Durchreise in Hongkong und erhält den Brief eines jungen Mannes, der um ihre Hand anhält. Sauber getippt auf dem Briefpapier seiner Kanzlei – Edward Feathers, genannt Filth, gesteht ihr seine Liebe. So reserviert wie diese Ehe beginnt, wird sie auch weitergehen. Edward ist, auch das ist aus dem ersten Teil bekannt, traumatisiert von einer Kindheit, in der er immer das Gefühl hatte, nicht erwünscht zu sein, weitergereicht und bestenfalls geduldet zu werden. Er erhofft sich nicht mehr, als nie mehr in seinem Leben verlassen zu werden und das verspricht ihm Betty, seine treue zukünftige Frau, am Abend ihrer Verlobung. Eine Stunde zu früh, denn nur wenig später lernt sie ihre große Liebe kennen – Terry Veneering, Vater eines missratenen Sohnes, Mann einer wunderschönen Chinesin und Edward Feathers Erzrivale.

Von ihren Gefühlen überwältigt verbringt sie eine wunderbare Nacht mit ihm, die erste überhaupt mit einem Mann. Und wird prompt von Edwards ältestem und treustem Freund Albert Ross ertappt, der ihr unmissverständlich klarmacht, dass er ihr das Leben zur Hölle machen wird, sollte sie Feathers Herz brechen. Also heiratet sie Edward und hält von da an ihr Versprechen.

Gardam ergänzt ihre Reihe nun um die Perspektive der Frau. Beim untadeligen Mann, dessen Handlung mit Bettys Tod erst richtig beginnt, wusste man die ganze Zeit, dass die Hälfte der Geschichte unerzählt bleibt, dass Edward offenbar Dinge nicht mitbekommen oder missverstanden hat. Einige davon werden nun erzählt, viele aber immer noch nicht. Die Darstellung von Betty, der ja nun der ganze Band gehört, bleibt immer noch recht löchrig. Gelegentlich wird erwähnt, dass sie im Lager war, dass sie beim Auswärtigen Amt gearbeitet und geheime Botschaften dechiffriert hat, dass sie viel gereist ist. Details dieser offenbar interessanten Lebensgeschichte werden aber nicht erzählt, während im ersten Teil Edwards Biographie durchaus ausgearbeitet wurde. Im Wesentlichen ist sie immer noch Mrs Feathers, Ehefrau und keine Mutter. Es geht um ihre Arbeit im Kirchenvorstand, den Garten, eine Schwangerschaft, doch alles, was vor der Eheschließung lag, wird höchstens erwähnt. Ihre selbstbewusste, zuweilen unkonventionelle Art und ihr sicheres Auftreten in der sich entwickelnden Metropole Hongkong lassen darauf schließen, dass es durchaus einiges zu sagen gäbe, dass sie nicht nur eine treue sondern auch eine sehr spannende Frau ist. Ihre „mittleren Jahre“ fallen fast komplett unter den Tisch. Sie heiratet, zieht mit Edward nach London, ist in etwa dreißig, erkrankt schwer, erholt sich, kehrt mit Edward nach Hongkong zurück und ist auf einmal schon fast sechzig und wieder auf dem Sprung nach England. Dazwischen? Hat sie sicher auch irgendwas gemacht.

Dafür wird im letzten Viertel des Buchs nochmal ein Teil der Geschichte erzählt, den man aus dem ersten Teil schon kennt, nämlich Edwards einsames Leben in Dorset nach Bettys Tod – am Ende verlässt sie ihn nämlich doch, wenn auch nicht freiwillig. Da Betty nun nicht mehr dabei ist und damit gänzlich jeder neue Input fehlt, ist dieser letzte Teil fast nur noch eine Zusammenfassung des untadeligen Manns mit ein paar wenigen neuen Aspekten. Was jetzt genau mit Veneering war, wird wohl erst im dritten und letzten Teil verraten.

Bei aller Kritik ist Eine treue Frau ein gut zu lesendes (mostly) Feel Good-Buch, das nostalgischen Nachkriegs-Charme versprüht und so britisch ist wie Yorkshire Pudding. Als Ergänzung zu Ein untadeliger Mann funktioniert es allerdings nur bedingt, zu oft ist es schlicht redundant, und es reicht meines Erachtens völlig aus, wenn man eins von beiden gelesen hat.


Jane Gardam: Eine treue Frau. Aus dem Englischen übersetzt von Isabel Bogdan. Hanser 2016. 270 Seiten, € 21,90. Originalausgabe: The Man in the Wooden Hat. Chatto & Windus 2009.

Das Zitat stammt von Seite 40 der Hanser-Ausgabe.

9 Gedanken zu “Jane Gardam: Eine treue Frau”

  1. Wunderbar, der Übersetzerin Isabel Bogdan hab ich meine nächste Rezi gewidmet, die ist nämlich auch unter die Schriftsteller gegangen^^

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      1. Ich mochte den Pfau nicht… Fand es ziemlich belanglos und unwitzig… Wirst Du es noch lesen?

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        1. Ich tendiere ziemlich deutlich zu einem nein. Weil ich genau das – vorhersehbar, belanglos, nicht witzig – schon mehrfach gehört habe, aus verschiedenen Richtungen. Und dafür war noch niemand dabei, der als Ausgleich so richtig, richtig super fand. Das beste, was ich bisher gehört habe, war „ganz witzig“. Dabei klang es vom Klappentext her ganz witzig. Aber vielleicht überrascht uns ja Karoline mit einer Lieblingsbuch-Rezension.

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          1. Möglich, ich bin gespannt! 🙂 Ich bin aber auch generell nicht so der Freund von Verwechslungs-Chaos-Geschichten, von daher war ich vielleicht von Anfang an nicht der richtige Leser für das Buch… (andererseits habe ich es aber auch gar nicht so chaotisch in Erinnerung, wie ich erwartet hatte)

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  2. So, einer von beiden reicht? Eigentlich möchte ich seit Monaten den ersten Teil lesen… Für welchen würdest Du Dich entscheiden, wenn Du müsstest? 😉

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    1. Oh, das ist ne schwierige Frage. Aber ich glaube, ich würde Teil 2 nehmen. Die Geschichte von Edward ist auch spannend, besonders seine Kindheit und Jugend. Allerdings ist die großbritannienlastiger, bei Betty spielt sich mehr in Hongkong ab. Außerdem fand ich sie als Charakter lebendiger und interessanter als Edward, der in seiner Jugend so viel abgekriegt hat, dass danach emotional nicht mehr viel los ist.
      Eine Kollegin von mir hat nur den zweiten Teil gelesen und ich hatte nicht den Eindruck, dass ihr Verständnis der Geschichte darunter gelitten hätte.

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