Seit 1950 vergibt der Börsenverein des Deutschen Buchhandels den Preis an „an eine Persönlichkeit, die in hervorragendem Maße vornehmlich durch ihre Tätigkeit auf den Gebieten der Literatur, Wissenschaft und Kunst zur Verwirklichung des Friedensgedankens beigetragen hat. Der Preisträger wird ohne Unterschied der Nation, der Rasse und des Bekenntnisses gewählt“.
Schon vor genau vier Monaten, am 16. Juni, wurde bekanntgegeben, dass Navid Kermani der diesjährige Preisträger ist. Heute wurde die Auszeichnung in der Frankfurter Paulskirche verliehen.
Kermani ist das Kind iranischer Eltern, promovierter Orientalist, wohnhaft in Köln und seit Jahren im Orient unterwegs. Über seine Reisen berichtet er in Artikeln und Büchern, schreibt aber auch über den Islam sowie das Christentum und veröffentlicht Romane. Im Mai 2014 hielt er die Rede vor dem deutschen Bundestag anlässlich der Feierstunde zu 65 Jahren Grundgesetz. Schon in dieser Ansprache (und auch danach immer wieder) machte er unmissverständlich klar, dass die europäische Flüchtlingspolitk nicht haltbar ist, dass Menschen gezwungen werden, den illegalisierten und damit lebensgefährlichen Weg nach Europa zu wählen, wenn der Zustand in ihrer Heimat ihnen keine Wahl mehr lässt.
Seitdem ist nichts besser geworden. Und so war auch in seiner heutigen Ansprache (die man in der ZDF-Mediathek sehen oder auf der Seite des Friedenspreis lesen kann) die Situation in Syrien der thematische Schwerpunkt. „Den größten Fehler begehen wir, wenn wir weiterhin so wenig gegen den Massenmord vor unserer eigenen Haustür tun.“ Ein Friedenspreisträger, so Kermani, dürfe nicht zum Krieg aufrufen, er dürfe und müsse aber auf einen Krieg hinweisen. Einen Krieg, den die internationale Gemeinschaft geschehen lässt.
Sichtlich bewegt berichtete er von Pater Jacques Mourad, den er bei Reisen in Syrien traf und der bald darauf vom Islamischen Staat entführt wurde. Erst vor fünf Tagen konnte Pater Jacques nach fünfmonatiger Haft befreit werden. Unbekannt ist aber weiterhin das Schicksal seines Vorgängers Paolo Dall’Oglio. Das nahm Kermani zum Anlass zum Ende seiner Rede eine ungewöhnlich Bitte zu äußern. Statt Applaus bat er um ein Gebet (oder, wenn man nicht religiös sei, um gute Wünsche) für Pater Paolo und die in Syrien entführten Christen sowie die Freiheit aller Menschen in Syrien und Irak.
Mit Navid Kermani hat ein Schriftsteller und Intellektueller den Preis bekommen, der sich weit über sein literarisches Schaffen hinaus engagiert und zu jeder Zeit für die Humanität und seine Überzeugungen eintritt. Es freut mich, dass dieser Mensch, der es so sehr verdient, gehört und gelesen zu werden, diesen Preis und die damit verbundene Aufmerksamkeit bekommt.
Kermanis Bücher erscheinen bei Hanser (belletristische Titel, TB bei Rowohlt) und C.H. Beck (Sachbücher). Eine Auswahl seiner journalistischen Arbeit und Interviews findet man auf seiner Homepage. Eine facebook-Seite hat er auch.